Frank Schäffler

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Die soziale Botschaft der Genossen

(Foto: Handshake; Aidan Jones (CC BY-SA 2.0) auf flickr)

Die sozialpolitische Diskussion in Deutschland verläuft etwas schief. Das zeigt die Diskussion um die Formulierung des neuen Gesundheitsministers Jens Spahn, der in einem Interview gesagt hat: „Die Tafeln tragen dafür Sorge, dass Lebensmittel nicht weggeworfen werden. Damit erfüllen sie eine wichtige Aufgabe und helfen Menschen, die auf jeden Euro achten müssen. Aber niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe. Wir haben eines der besten Sozialsysteme der Welt.“ Spahn hat durchaus recht damit. Zum einen ist es gut, dass Lebensmittel nicht weggeworfen werden, sondern Verwendung finden. Zum anderen ist es richtig, dass die Anzahl der Tafeln in Deutschland nichts über die Armut in Deutschland aussagt. Tatsächlich ist die soziale Grundsicherung, auch im Vergleich zu Nachbarstaaten, auf sehr hohem Niveau.

Doch befähigt unser Sozialsystem zur Selbsthilfe? Unser Sozialsystem erinnert ein Stück an die Geschichte von Sankt Martin, der seinen Mantel teilt, um ihn dem Bettler am Wegesrand zu schenken. Damit hat er erste Hilfe geleistet. Das ist wichtig und notwendig. Aber befähigt dies den Bettler ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Wohl nicht. Ein liberales Gesellschaftsbild würde hier eher einen Unternehmer sehen, der den Bettler erstversorgt und ihm anschließend seinen Fähigkeiten entsprechend eine Arbeitsstelle im Unternehmen anbietet, die ihm erlaubt, eine Wohnung zu mieten und seine Familie zu ernähren. Hilfe zur Selbsthilfe ist dabei das Stichwort. Diesen Ansatz verstehen staatliche Institutionen zu wenig. Besser geeignet ist dafür eine aufgeweckte Bürgergesellschaft. Vielleicht erfährt diese Bürgergesellschaft bald wieder eine Renaissance. Anlass für diese Renaissance könnte der 130. Todestag von Friedrich Wilhelm Raiffeisen sein.

Die Not der Landbevölkerung veranlasste im 19. Jahrhundert Friedrich Wilhelm Raiffeisen zum Handeln. Als Bürgermeister von Weyerbusch (Westerwald) gründete er im Hungerwinter 1846/47 den „Verein für Selbstbeschaffung von Brod und Früchten“.

Mit Hilfe privater Spenden kaufte er u. a. Mehl. In einem selbsterrichteten Backhaus wurde Brot gebacken, das auf Vorschuss an die Bedürftigen verteilt wurde. Der „Brod-Verein“ und der „Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein von 1864“ waren die ersten vorgenossenschaftlichen Zusammenschlüsse und der Beginn der weltweit erfolgreichen genossenschaftlichen Bewegung.

Ein anderes Jubiläum steht in diesem Jahr ebenfalls an. Vor 150 Jahren, am 04.07.1868, wurde das Genossenschaftsgesetz im Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes veröffentlicht. Es war das Ergebnis eines langen politischen Kampfes, den der Liberale Hermann Schulze-Delitzsch leidenschaftlich führte. Weil Arbeiter und Gewerbetreibende keine Kredite bekamen, um Investitionen zu tätigen, gründete Schulze-Delitzsch „Vorschussvereine“. Es waren die Vorläuferorganisationen der heutigen Volksbanken. Sie waren lokal verankert und kümmerten sich um die originären Themen, die ihre Mitglieder betrafen.

Der Sachse Schulze-Delitzsch wollte den „Vereinigungen der kleinen Leute“ die gleichen Rechte wie den „Vereinigungen der Wohlhabenden“ ermöglichen und diese von der „Willkür der Verwaltungsbehörden“ befreien. Diese Unabhängigkeit vom Staat setzte für ihn zwei wesentliche Dinge voraus: Zum einen die solidarische Hilfe der Genossenschaftsmitglieder für den gemeinsamen Zweck, aber gleichzeitig auch die solidarische Haftung aller Mitglieder (Genossen). Viel mehr an Regulierung brauchte es nicht und braucht es wohl auch künftig nicht. Das Genossenschaftswesen ist eine echte liberale Alternative zu den oftmals ineffizienten, unpersönlichen Gießkannenaktionen, die wir aus dem Bereich des Wohlfahrtsstaates nur allzu gut kennen. Sie ist eine dezentrale Antwort auf große und vielfältige sozialpolitische Herausforderungen. Der großartige Genossenschaftsgedanke verbindet zivilgesellschaftliches Engagement mit ökonomischer Tatkraft, wahrhaftige Solidarität mit Unternehmergeist. Anders als in einem anonymen Sozialstaatskonstrukt sind die Armen und Schwachen nicht bloß Bittsteller und Almosenempfänger, sondern eigenständige Individuen, die freiwillig kooperieren, um ihre Notlagen gemeinschaftlich zu lösen.

Kritisch hinterfragen muss man nicht nur die Ineffizienz der gegenwärtig bestehenden sozialstaatlichen Strukturen, sondern auch deren moralische Integrität. Ist Wachstum im Sozialstaat per se schon eine segensreiche Komponente? Wird unsere Gesellschaft durch einen immer schneller wachsenden Sozialstaat schon „sozialer“? Führt die etatistische Mentalität hierzulande, die sich durch die wachsende Anspruchshaltung gegenüber staatlichen Leistungen manifestiert, nicht letztendlich zu einem zu tiefst undemokratischen Verteilungskampf um die vorhandenen Ressourcen? Kann sozialer Frieden dadurch langfristig gewährleistet werden? Oder bedarf es hier nicht zivilgesellschaftlichen Engagements, das Probleme persönlicher und ehrlicher löst, als es der Staat jemals könnte?

Es zeigt sich, dass viele gesellschaftliche Probleme unserer Zeit auch privatwirtschaftlich zu lösen sind und nicht immer über klebrige und ineffiziente staatliche Umwege geleitet werden müssen. Vom staatlichen Umweg profitieren nämlich nicht die Bedürftigen selbst, sondern in erster Linie das bürokratische System. Denn wirklich sozial ist nicht der Staat, sondern der Einzelne durch sein selbstbestimmtes Handeln.

Zuerst erschienen bei Tichys Einblick

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