Frank Schäffler

Suche
Close this search box.

Die Evolution des Geldes

(Photo by Worldspectrum from Pexels)

Olaf Scholz hat sich kritisch über Facebooks angedachte Währung Libra geäußert – und ist dabei selbst einem Irrtum über die „gesetzlichen Zahlungsmittel“ erlegen. Das zeigt die Komplexität der Materie.

Lange Zeit wurden Bitcoin, Ethereum und Co. belächelt. Seit Facebook am Mitte Juni seine Pläne für die Kryptowährung Libra öffentlich gemacht hat, ist das anders. Jetzt warnt die Politik vor den Gefahren für das Finanzsystem. Der Finanzminister wird in der F.A.Z. zitiert: „Die Herausgabe einer Währung gehört nicht in die Hände eines Privatunternehmens, denn sie ist ein Kernelement staatlicher Souveränität.“ Der Euro bleibe das einzige gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum. Doch das stimmt so nicht. Ein Finanzminister sollte das besser wissen.

Das Bundesbankgesetz regelt: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ (Art. 14, Abs. 1) Eine entsprechende Vorschrift wurde in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf europäischer Ebene übernommen (Art. 148, Abs. 1).

Nicht der Euro an sich ist also das „einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel“, sondern lediglich die „auf Euro lautenden Banknoten“. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Denn die Banknote ist Bargeld und kein Buchgeld. Betrachtet man die gesamte Eurogeldmenge (M3), dann macht Bargeld rund 10 Prozent davon aus. Weitere 10 Prozent sind Zentralbankgeld als Sichteinlagen der Banken bei den Notenbanken im Eurosystem. Die verbleibenden 80 Prozent sind Buch- oder Giralgeld, das von den Banken durch Geldschöpfung erzeugt wird. Banken vergeben Kredite und erzeugen dadurch neues Geld – aber kein neues Bargeld. Dieses Geld wird von privaten Unternehmen geschaffen und ist kein „unbeschränkt gesetzliches Zahlungsmittel“. 80 Prozent der Eurogeldmenge ist genaugenommen also privates Geld, und 10 Prozent ist Zentralbankgeld, das zwar staatlich erzeugt wurde, aber ebenfalls nicht der Definition des „einzigen unbeschränkt gesetzlichen Zahlungsmittels“ entspricht.

Das ist keine Haarspalterei, sondern ein erheblicher Unterschied in der Konstruktion. Deshalb ist es auch nicht so ganz einfach, das gesetzliche Zahlungsmittel per Definition auszuweiten, wie es die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel diskutiert. Sie will auch das Zentralbankgeld als gesetzliches Zahlungsmittel verankern. Doch das wäre nicht nur juristisch, sondern auch praktisch ein tiefgreifender Systemwechsel. Dies erforderte, dass jeder Bürger bei der Zentralbank ein Konto hat und nicht mehr nur die Banken. Es würde die Gefahr des Bank-Runs nicht vermindern, sondern wahrscheinlich enorm vergrößern. Wenn per Knopfdruck Buchgeld vom Bankkonto einfach auf das Notenbankkonto überwiesen werden kann, ist der Zusammenbruch des Bankensystems in Krisenzeiten viel schneller möglich. Schon vorher ergeben sich durch die vermeintlich sichereren Zentralbankkonten erhebliche Wettbewerbsnachteile für Banken, was zu Verwerfungen in dem ohnehin angeschlagenen Sektor führen dürfte.

Selbst die wissenschaftliche Definition von Geld erfüllt nicht jede Währung, auch nicht jede staatlich legitimierte Währung. Wenn man der Definition folgt, dass Geld das „allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel“ ist, dann galt das in der deutschen Geschichte nicht immer für die jeweilige Währung. Nach dem zweiten Weltkrieg waren eher Zigaretten das allgemein anerkannte Tausch- und Zahlungsmittel, obwohl diese nicht vom Staat legitimiert waren. In der DDR war die Ost-Mark nicht das allgemein anerkannte Tauschmittel, sondern eher die D-Mark oder der Dollar. Auch in Venezuela erfüllt die Währung Bolivar nicht dieses Kriterium von Geld. Ob es die Definition einer Währung erfüllt, ist auch zweifelhaft. Währung wird als „hoheitlich geordnetes Geldwesen eines Staates oder Währungsgebietes einschließlich aller Regelungen zur Sicherung der Geldwertstabilität verstanden“. Von hoheitlicher Ordnung oder Stabilität waren die Reichsmark nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, die Ost-Mark zu DDR-Zeiten und der venezolanische Bolivar weit entfernt.

In den Industrieländern ist die Geldproduktion heute eine Art Private-Public-Partnership. Der Staat stattet die Banken mit dem Geldschöpfungsprivileg aus, die Banken finanzieren den Staat über ihre Kreditvergabe. Geld ist historisch aber eine private Erfindung. Geld ist aus Gold und anderen Edelmetallen auf freien Märkten entstanden. Es hat die Tauschwirtschaft erleichtert und ersetzt. Erst später haben sich Herrscher, Könige und Fürsten das Geldmonopol angeeignet, um ihren Hof oder ihre Kriege zu finanzieren. Der Wettbewerb der Herrschaftsgebiete in Europa konnte sie freilich mäßigen. Manipulierten sie den Gold- und Silbergehalt ihrer Münzen zu sehr, verloren diese Währungen ihre Kaufkraft. Handwerker und Händler nutzten dann anderes Geld, das allgemeines Vertrauen genoss. Die enge Verzahnung der großen Notenbanken in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und der Eurozone hat heute freilich zu einer Art Oligopol geführt, das genau diesen Wettbewerb ausschaltet. Dass Geld von seiner Goldbindung gelöst wurde, hat zur Folge, dass den meisten Menschen nur noch Fiat-Geld zur Verfügung steht, das auf dem Vertrauen fußt, das die Notenbanken durch ihre zunehmend homogene Geldpolitik schaffen wollen.

Das Aufkommen des Bitcoins vor rund zehn Jahren war der erste ernstzunehmende Versuch, das staatliche Geldmonopol zu durchbrechen. Nicht ohne Grund erfolgte dies zu einem Zeitpunkt, als das Vertrauen in das Geldsystem durch die damalige Finanzkrise erschüttert wurde. Der Initiator des Bitcoin, der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto auftrat, begründete die Notwendigkeit des Bitcoins: „Der Zentralbank muss vertraut werden, dass sie die Währung nicht entwertet, doch die Geschichte des Fiat-Geldes ist voll von Verrat an diesem Vertrauen.“

Der Unterschied von Kryptowährungen zu Euro oder Dollar ist, dass sich die Kryptowährungen am Markt bewähren müssen. Sie müssen einen Nutzen stiften und Vertrauen schaffen, das sie nicht durch die pure Wucht einer staatlichen Institution suggerieren kann. Nur dann werden sie Akzeptanz finden. Diese Akzeptanz muss nicht von Dauer sein, sondern kann so schnell verschwinden, wie sie gekommen ist. Das ist der Vorteil der Marktwirtschaft. Die Anbieter müssen die Bedürfnisse der Kunden befriedigen, sonst verschwinden sie vom Markt. Deshalb ist das Aufkommen der vielen Kryptowährungen auch kein disruptiver Vorgang, wie oft behauptet wird. Die etablierte Währungswelt wird nicht hinweggefegt, sondern verändert sich evolutorisch. Wenige haben vor zehn Jahren erstmalig mit Bitcoin bezahlt. Heute sind es mehr. Das Bitcoin-Transaktionsvolumen hat die des Kreditkartenanbieters Visa und des Zahlungsdienstleisters PayPal inzwischen übertroffen.

Wer kein Vertrauen hat, muss Kryptowährungen nicht nutzen. Und wer kein Vertrauen mehr hat, kann sie jederzeit in andere Währungen eintauschen. Das ist bei staatlichen Währungen nicht immer ohne weiteres möglich und macht daher den Unterschied. Niemand muss Libra, Bitcoin und Co. nutzen. Aber die, die es wollen, sollten nicht daran gehindert werden. Denn eines ist sicher: Der Dollar, der Euro und das Pfund sind außerhalb ihrer Existenz als Bargeld nicht weniger virtuell als Kryptowährungen. Während Erstere aber ein Spielball politischer Interessen sind, sind Letztere immerhin der Kontrolle durch den Markt unterworfen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Giralgeld, Bargeld, Kryptogeld.

Menü

Kontakt

Frank Schäffler MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
E-Mail: frank.schaeffler@bundestag.de
Telefon: 030 227-78543

Presse

Die hier aufgeführten Bilder sind zur freien Verwendung, im Rahmen meiner Person betreffenden Veröffentlichungen und Veranstaltungen. Bitte senden Sie mir im besten Falle ein Beispiel-Expemplar per E-Mail oder postalisch zu.

Klicken Sie für den Download des Bildmaterials (Zip-Datei) auf die Bilder. Sollten Sie weiteres Material benötigen, können Sie gerne mein Bundestagsbüro kontaktieren:

Frank Schäffler MdB
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
E-Mail: frank.schaeffler@bundestag.de
Telefon: 030 227-78543
Telefax: 
030 227-70543