„Der Bundestag und alle Deutschen werden getäuscht“

Interview in der Passauer Neuen Presse, 28.11.2012

Die Eurogruppe breche ihre eigenen Regeln, kritisiert der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler. Die neuen Hilfen für Griechenland finanziere nun der Steuerzahler.
Interview: Andreas Herholz

Der Bundestag soll das Paket schnell beschließen. Ist das der richtige Weg aus der Krise?
Frank Schäffler: Jetzt werden alle roten Linien überschritten. Das ist faktisch ein drittes Hilfspaket. Ich werde dem nicht zustimmen. Es wird völlig klar, dass die Griechenland-Hilfe staatlich finanziert wird. Das bedeutet, dass die Steuerzahler nun dafür aufkommen
müssen. Die Eurogruppe bricht jetzt ihre selbstgegebenen Regeln, dass Griechenland bis zum Jahr 2020 die Verschuldung auf 120,5 Prozent reduziert haben muss. Dieses Ziel wird auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben.

Der Ruf nach einem weiteren Schuldenschnittwird lauter.
Schäffler: Alles, was man im Frühjahr festgelegt hat, ist jetzt Makulatur. Hier werden der Bundestag und alle Deutschen getäuscht. Schon beim ersten Schuldenschnitt sind die Zahlen schöngerechnet worden. Die Lage Griechenlands ist heute viel schlimmer als erwartet. Die Zahlen, die jetzt aufgeschrieben werden, stimmen sicher auch nicht. Griechenland hat im Euro keine Chance, Investoren zu finden. Hier findet eine Insolvenzverschleppung statt, um die Eurozone um jeden Preis so zusammenzuhalten.

Aus den Bundestagsfraktionen kommt Kritik wegen des schnellen Verfahrens.
Schäffler: Dieses Eilverfahren hat nichts mit einer seriösen Prüfung zu tun. So ist es leider seit Beginn der Finanzkrise immer gelaufen. Die Abgeordneten haben immer relativ viel Papier und extrem wenig Zeit bekommen. Eine sorgfältige Prüfung ist da nicht möglich. Die Zahlen, die jetzt vorgelegt werden, sind getrickst. Jetzt wird alles Geld zusammengekratzt: Die Zinsen werden gesenkt und gestundet. Die Bundesbank wird genötigt, Gewinne auszuschütten. Wenn man die Bundesbank zwingt, ihre Gewinnverwendung nach tagespolitischer Opportunität zu gestalten, geht man an ihre Unabhängigkeit heran.

Und wenn sich die Bundesbank weigert,den Gewinn auszuschütten?
Schäffler: Die Bundesbank kann im Rahmen ihrer Unabhängigkeit darauf pochen, keine Gewinne auszuschütten. Dann werden die Griechenlandkosten netto kassenwirksam. Das bedeutet, das Geld muss aus dem Bundeshaushalt 2013 finanziert werden, und der Steuerzahler wird zur Kasse gebeten. Das werden im Laufe der Jahre rund drei Milliarden Euro sein, die an anderer Stelle fehlen.

Reicht dieses Paket, um Griechenland zu stabilisieren?
Schäffler: Griechenland wird auch mit diesem dritten Rettungspaket nicht zu retten sein. Der Schuldenstand Griechenlands
ist im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt höher als vor dem ersten Schuldenschnitt im Frühjahr. Das hat überhaupt nichts gebracht. Jeder weitere Schuldenschnitt würde jetzt den Steuerzahler unmittelbar belasten.

Wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro nicht viel folgenschwerer und teurer als die Milliardenhilfe?
Schäffler: Diese Ansicht teile ich nicht. Wäre Griechenland im Mai 2010 aus der Euro-Zone ausgetreten, hätten wir nicht diese Risiken gehabt und nur die eine oder andere Bank stützen müssen. Das wäre der bessere Weg für Griechenland und die Euro-Zone gewesen. Jetzt stützen wir alle Banken und tragen dazu bei, dass Spekulanten mit der Krise weiter Gewinne machen können. Das jetzt geplante Schuldenrückkaufprogrammbelohnt diejenigen Investoren, die darauf gesetzt haben.

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