Die Welt: „Eine wirksame Verteidigung der Freiheit muss unbeugsam sein und darf keine Zugeständnisse an Zweckmäßigkeitserwägungen machen.“ Kennen Sie das Zitat, Herr Schäffler?
Frank Schäffler: (schmunzelt) Ist das von mir?
Die Welt: Das ist Friedrich August von Hayek.
Frank Schäffler: Das passt, ich bin ja ein großer Fan.
Die Welt: Hätte einer wie Hayek heute einen Platz in der FDP?
Frank Schäffler: Er war nie in einer Partei. Aber natürlich hätte er einen Platz in der FDP. Unser ehemaliger Generalsekretär Christian Lindner hatte ja sogar ein Bild von ihm im Büro hängen, der amtierende Gesundheitsminister Daniel Bahr ist wie ich Mitglied der Hayek-Gesellschaft.
Die Welt: Nur gehandelt hat die FDP nicht danach. Ein liberaler Ökonom wie Hayek hätte die Euro-Rettungsschirme der Bundesregierung als inflationäre Geldpolitik gegeißelt.
Frank Schäffler: Deshalb habe ich die Mitgliederbefragung in der FDP durchgesetzt …
Die Welt: …und gegen die Parteispitze verloren.
Frank Schäffler: Dennoch hat sich der Einsatz gelohnt. Als wir zu Beginn der Schuldenkrise gestartet sind, waren wir ganz wenige. Auf dem Parteitag in Köln haben wir 20 Prozent der Delegierten für uns gewonnen, im Mai in Rostock schon 33 Prozent, jetzt bei der Mitgliederbefragung 44 Prozent. Also: Wir werden mehr in der Partei. Wir sind noch nicht die Mehrheit, aber eine große Minderheit, an der die Parteiführung nicht vorbeigehen kann.
Die Welt: Parteichef Philipp Rösler hat die Mehrheit der Mitglieder hinter sich. Müssen nicht Sie jetzt ihm in der Europapolitik folgen?
Frank Schäffler: Er muss jetzt erst mal sagen, wohin es gehen soll. Philipp Rösler hat mit seiner Insolvenzordnung für Staaten in Europa kluge Vorschläge gemacht. Die müssen jetzt aber unterfüttert werden. Soll heißen: Wenn wir Rettungsschirme haben, müssen sie befristet und im Volumen begrenzt sein sowie eine zwingende Gläubigerbeteiligung vorschreiben. Darauf hat er sich bei der Mitgliederbefragung selbst verpflichtet. Jetzt muss er diese Positionen in der Bundesregierung deutlich machen und auch durchsetzen.
Die Welt: Wenn es zu einer Abstimmung über den nächsten Rettungsschirm namens ESM im Bundestag kommt: Was werden Sie tun?
Frank Schäffler: Das weiß ich noch nicht, es gibt ja noch keinen Gesetzentwurf. Den will ich erst einmal abwarten und nicht schon jetzt wieder unnötig Öl ins Feuer gießen.
Die Welt: Unterwerfen Sie Ihre Gewissenfreiheit der Parteiräson?
Frank Schäffler: Es ist doch selbstverständlich, dass ich dieses in der Verfassung verbriefte Recht weiterhin in Anspruch nehme. Meine grundsätzlichen Bedenken sind mit der Niederlage im Mitgliederentscheid ja nicht in Luft aufgelöst. Ich stecke den Kopf nicht in den Sand, sondern kämpfe in der FDP weiter für meine Ziele. Aber erst mal ist es jetzt an Philip Rösler zu sagen, wie die Rettungsschirme rechtsstaatlich ausgestaltet werden sollen. Die Gelegenheit dazu hat er schon Freitag, auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart.
Die Welt: Das klingt nicht nach der Geschlossenheit, die Rösler jetzt fordert.
Frank Schäffler: Wir waren lange Zeit geschlossen – und sind von 15 Prozent auf unter fünf Prozent abgestürzt. Das zeigt ebenso wie die geringe Beteiligung an der Basisbefragung, dass viele Mitglieder mit der aktuellen Politik der eigenen Partei abgeschlossen haben. Das Gegenmittel kann nicht sein, Sachdebatten zu verdammen. Wir sollten plebiszitäre Elemente im Gegenteil ausbauen, verbessern und leichter zugänglich machen. Und kurzfristig ist entscheidend, dass die Parteispitze klar macht, in welche Richtung es geht. Bislang war das nicht ausreichend erkennbar. Nur mit einem Ziel vor Augen kann man Geschlossenheit einfordern.
Die Welt: Mal konkret: Was muss Rösler in Stuttgart liefern?
Frank Schäffler: Das Bild einer FDP als umfassender Rechtsstaatspartei. Nicht nur in den klassischen Bürgerrechtsthemen, sondern auch in der Europa-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Dort überall muss die FDP darauf achten, dass nach gleichen Regeln gespielt wird und es keine Bevorzugung von Partikularinteressen gibt. Wir müssen die marktwirtschaftlich orientierten Wähler wieder für uns gewinnen.
Die Welt: So wie bei der Hotelsteuer?
Frank Schäffler: Eben nicht. Wir müssen den Steuertarif insgesamt absenken. Und Ausnahmen nicht schaffen, sondern abschaffen. Das klassische Credo der FDP also. Ich wehre mich dagegen, das Thema Steuergerechtigkeit jetzt völlig beiseitezulegen. Das bleibt eine der zentralen Fragen, in der wir Kompetenz haben – und ist auch kein Widerspruch zur zweifellos notwendigen Haushaltskonsolidierung.
Die Welt: Fühlen Sie sich noch heimisch in der FDP?
Frank Schäffler: Absolut. Sie ist und bleibt meine politische Heimat.
Die Welt: Andere Parteien wie die Freien Wähler würden Sie mit offenen Armen empfangen …
Frank Schäffler: Mag sein. Da kann ich nur sagen: Die sollen in die FDP eintreten, um aus unserer großen Minderheit der Rettungsschirmgegner eine Mehrheit zu machen. Das ist sinnvoller, als von einer neuen Partei zu träumen. Solche Vorhaben sind in der Vergangenheit gescheitert und werden auch in der Zukunft scheitern.
Die Welt: Hat eine dezidiert euroskeptische Partei eine Chance in Deutschland?
Frank Schäffler: Mir egal, ich will eine solche Partei nicht. Ich bin ein Freund des Euro – aber eines Euro, der nach Regeln funktioniert, an die sich alle halten und die bei der erstbesten Krise nicht über Bord geworfen werden.
Die Welt: Wir wollen mit einem weiteren Hayek-Zitat schließen. „Was ich suche ist ein Wort, das die Partei des Lebendigen bezeichnet, die Partei, die für freies Wachstum und spontane Entwicklung eintritt.“ Er zerbrach sich vergeblich den Kopf. Finden Sie eins?
Frank Schäffler: Kein Wort, aber drei Buchstaben. Eine Partei ist immer ein Kompromiss. Aber die FDP ist die stärkste Kraft des Liberalismus in Deutschland. Ich kämpfe dafür, dass sie nicht untergeht. Und dass meine Positionen in dieser Partei am Ende mehrheitsfähig werden.
Leave a Reply