„Die Herabstufungen verwundern nicht“

Pressefoto11-2011-7.jpgInterview mit der Passauer Neuen Presse

Paukenschlag in der Schuldenkrise: Die Kreditwürdigkeit von neun Euro-Ländern, darunter auch Frankreich und Österreich, ist von der Rating-Agentur Standard & Poor ’s herabgestuft worden. Manche sprechen von einem gezielten Angriff gegen den Euro und die Rettungsbemühungen. Eine zutreffende Analyse?
Frank Schäffler: Nein, ganz und gar nicht. Die Kritik an den Rating-Agenturen ist wohlfeil. Frankreich musste für seine Staatsanleihen in letzter Zeit bereits deutlich höhere Renditen zahlen als für einen Staat mit Top-Rating üblich. Österreich ist auch wegen der Schwierigkeiten seiner Banken herabgestuft worden. Ich beteilige mich nicht an Verschwörungstheorien. Die Rating-Agenturen zeichnen ein realistisches Bild der Lage. Mich verwundern diese Herabstufungen nicht. Im Gegenteil: Ich fühle mich in meinen Einschätzungen aus dem vergangenen Jahr bestätigt.

Wird das Euro-Krisenmanagement jetzt teurer für die deutschen Steuerzahler?
Schäffler: Höhere Lasten für Deutschland darf es nicht geben. Wir haben es nun mit einer neuen Lage zu tun. Der Rettungsschirm EFSF bricht in sich zusammen. Bisher ist das Garantievolumen von 440 Milliarden Euro von den Euroländern mit Top-Rating getragen worden. Das funktioniert nun nicht mehr. Deutschland sichert derzeit rund 40 Prozent der Mittel der EFSF ab. Das entspricht rund 211 Milliarden Euro. Wenn nun zwei von sechs Euroländern mit „Triple-A“-Rating wegfallen, müssten wir bis zu 75 Prozent übernehmen. Das wäre fatal. Davor kann ich nur warnen.

Was erwarten Sie von Kanzlerin und Koalition?
Schäffler: Die Bundesregierung muss schnellstens entscheiden, was zu tun ist. Schon beim letzten EU-Gipfel ist entschieden worden, dass das Volumen des Rettungsschirms überprüft werden soll. Die Staatengemeinschaft hat offenbar schon geahnt, was kommen würde. Die Kanzlerin hat oft genug versichert, dass Deutschland nicht für mehr als 211 Milliarden Euro aufkommen wird. Auch die FDP hat sich in ihrem Mitgliederentscheid deutlich gegen eine Ausweitung der deutschen Garantiesumme ausgesprochen. Daran halte ich mich.

Welche Alternativen sehen Sie?
Schäffler: Einen höheren deutschen Beitrag zur EFSF wird es ohne Zustimmung des Bundestages nicht geben. Wenn es beim bisherigen Volumen des Rettungsschirms bleiben soll, müssen eben andere dafür garantieren. Es ist kein Naturgesetz, dass nur die Staaten mit Top-Rating für die Risiken aufkommen müssen. Jetzt sehe ich die anderen
Euroländer in die Pflicht. Sie müssen sich zu Bareinlagen verpflichten, um die EFSF handlungsfähig zu halten. Es kann nicht sein, dass Deutschland noch einmal nachschießt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt darauf, dass der dauerhafte Stabilitätsmechanismus ESM schneller als geplant in Kraft tritt, weil dieser von Ratings unabhängiger wäre. Was spricht dagegen?
Schäffler: Der ESM wird nicht von heute auf morgen zur Verfügung stehen. Er beruht auf Vertragsänderungen, die in allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden müssten. Es gibt nach wie vor keinen abschließenden Vertragsentwurf.

Interview: Rasmus Buchsteiner

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