Frank Schäffler

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Die wundersame Geldvermehrung

Photo: Hans A. Rosbach from Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die Inflation in Deutschland steigt und steigt. Im Dezember ist sie erneut zum Vorjahr gewachsen. Von 5,2 Prozent im November auf 5,3 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 30 Jahren. Im Jahresdurchschnitt liegt die Inflationsrate in Deutschland damit bei 3,1 Prozent. Zwar ist dies nur die Entwicklung in Deutschland, doch auch die Inflationsrate in der Euro-Zone ist weit weg vom Stabilitätskriterium in den EU-Verträgen. Auch zum Inflationsziel der EZB, das erst kürzlich auf 2 Prozent angehoben wurde, ist die Entfernung beträchtlich. Jetzt müsste die EZB eigentlich ihren geldpolitischen Kurs ändern. Doch das wird sie nicht tun. Hans-Werner Sinn hat dies in seinem aktuellen Buch „Die wundersame Geldvermehrung“ sehr eindrucksvoll dargelegt. Er schreibt: „Der Hauptgrund für eine Inflationsgefahr liegt darin, dass die EZB ihre Politik nicht rückabwickeln kann.“ Das Buch ist sicherlich das wichtigste Wirtschaftsbuch der letzten Jahre und sei insbesondere Lesern empfohlen, die die Entwicklung der EZB-Politik nicht so detailliert verfolgt haben. Es ist gespickt mit Zahlen, Fakten und Wegmarken.

Die offenen und heimlichen Interventionen der Notenbanken des Eurosystems und der EZB haben über Jahre die Geldbasis erhöht und damit die Grundlage für die künftige Inflation gelegt. Allein zwischen Juni 2008 und September 2021 ist die Zentralbankgeldmenge (M0) von 0,88 Billionen Euro auf 5,99 Billionen Euro gestiegen.

Dieses Geld wurde benutzt, um Anleihen der Euro-Staaten, aber auch des ESM oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu kaufen. Diese Monetarisierung der Staatsschulden hat erschreckende Dimensionen angenommen. Inzwischen sind die Notenbanken des Eurosystems die größten Halter der ausstehenden Staatsanleihen von Portugal (52 %), Niederlande (47,1 %) und Deutschland (44,9 %). Letztlich wird hier Staatsfinanzierung durch die Druckerpresse betrieben. Insbesondere der Ankauf von niederländischen und deutschen Anleihen dient dazu, die langfristigen Zinsen auch in anderen Eurostaaten zu drücken. Bei ihrer hohen Staatsverschuldung profitieren davon Griechenland (212 % zum BIP), Italien (163 % zum BIP) und Portugal (132 % BIP), aber natürlich auch alle anderen. Die Staatsschulden der Eurozone sind insgesamt von 6,7 Billionen Euro (2008) auf 11,3 Billionen Euro (09/2021) gestiegen. Das Eurosystem habe davon drei Viertel (76 %) des Zuwachses über die Druckerpresse finanziert.

Es ist ein Zusammenspiel zwischen den Euro-Staaten und der EU auf der einen Seite und der EZB auf der anderen Seite. Was hier geschaffen wurde, sei – so der frühere ifo-Chef – eigentlich eine Art „Helikoptergeld“, bei dem in der Theorie die Notenbank Geld druckt und dann an die Bürger verschenkt. „Was in Europa beschlossen wurde, ist im Kern genau dasselbe“, so Sinn. „Nur dass clevere Juristen ein paar ökonomisch irrelevante Umwege von der Druckerpresse bis zu den Taschen der begünstigten Menschen eingebaut haben, die das Ganze rechtlich vertretbar machen.“

Dennoch, oder besser deshalb, kommen die großen Industrieländer in Europa schlecht aus der Krise. Ihre Industrieproduktion ist teilweise noch deutlich unter dem Zeitpunkt vor der Bankenkrise 2007. Spanien (-22%), Italien (-20 %), Frankreich (-15%) und auch Deutschland (-2 %) liegen darunter. Die vergangen 15 Jahre waren ökonomisch verlorene Jahre für Europa.

Die mangelnde Regelgebundenheit führt seit Beginn an zur Überschreitung der Stabilitätsregeln des Maastrichter Vertrages. Bis Ende 2020 gab es insgesamt 195 Überschreitungen der Regel für das Haushaltsdefizit von 3 Prozent zur Wirtschaftsleistung. Die EU-Kommission hat bislang in keinem einzigen Fall eine Strafe verhängt. Die Eurozone treibt ökonomisch weiter auseinander. Die hohen Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber dem EZB-System, deren Bedeutung Sinn vor einigen Jahr populär verständlich gemacht hat, zeigen dies. Aber auch die Zinsgewinne der südeuropäischen Staaten, die Sinn auf insgesamt 650 Mrd. Euro beziffert.

Die Antwort der EZB und der EU-Kommission ist eine weitere Vergemeinschaftung der Schulden, die finanzielle Repression durch das Zurückdrängen des Bargeldes. Auch einem digitalen Euro steht Sinn deshalb skeptisch entgegen, weil er dadurch das Bargeld als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel verdrängt sieht. Er vermutet: „Das Bargeld ist beim Versuch der EZB, die Inflation auf zwei Prozent zu heben, der größte Störfaktor“

Die Gefahr, dass die Inflationsraten künftig wesentlich höher sein werden, ist real. Der Vergleich mit den 1970er Jahren während der ersten Ölkrise liegt nahe. Die vorübergehende Mehrwertsteuerabsenkung und anschließende Wiederanhebung im Zuge der Pandemie beeinflussen laut Sinn zwar die Konsumentenpreise, nicht jedoch die gewerblichen Erzeugerpreise. Diese sind im August 2021 um 12 Prozent gestiegen und im November sogar um 19,2 Prozent. Das ist mehr als beim ersten Ölpreisschock. Damals waren es weniger als 15 Prozent, anschließend ist die Inflationsrate galoppiert. Der Anstieg der Energiepreise in Deutschland durch den gleichzeitigen Ausstieg aus der Kohle und der Kernkraft auf der einen Seite und den C02-Emissionshandel auf der anderen Seite führt zu einer ähnlichen Entwicklung der Energiepreise wie damals. Heute kommen die durch die Pandemie unterbrochenen Lieferketten und die demographische Entwicklung als Preistreiber hinzu. Wenn, wie in dieser Woche geschehen, die amerikanische Notenbank FED ihre Geldpolitik strafft, dann kommt der Euro auch im Außenwert unter Druck.

Sinn hat auf diesen umfassenden Schlamassel keine einfache Antwort. „Die Staaten müssen wieder lernen, sich das Geld, das sie ausgeben wollen, von den Bürgern zu holen, statt zu drucken.“ Er schlägt eine behutsame Rückführung der Geldmenge vor. Der Rückverkauf sei ein Drogenentzug mit Entzugserscheinungen. Bei aller Schieflage des Euros und der Governance der EU gelingt Hans-Werner Sinn in seinem großartigen Buch ein positiver Ausblick auf Europa. Als Beispiel wählt er die Schweiz. „Sie verkörpert keine Utopie, sondern ein realistisches Modell, an dem sich die EU, vor allem auch, was die Reihenfolge der Integrationsschritte und ihren Zeitbedarf betrifft, orientieren könnte.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Prometheus – Das Freiheitsinstitut

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