Interview mit „Der Selbständige„
Oktober 2010
Der Selbständige: Herr Schäffler, Sie gehören zu den zehn Abweichlern aus Union und FDP, die dem sogenannten Euro-Stabilitätsgesetz nicht zugestimmt haben. Bedeutet der EU-Rettungsschirm praktisch eine Änderung des Vertrages von Lissabon ohne Vertragsänderungsverfahren und damit ohne demokratische Legitimation?
Frank Schäffler: Ja, es ist ein kollektiver Vertragsbruch, der die Nichtbeistandsklausel der europäischen Verträge außer Kraft setzt.
Der Selbständige: Sie sehen also in dem Euro-Stabilisierungsgesetz einen Verstoß gegen EU-Recht?
Frank Schäffler: So ist es. Bereits die Hilfe für Griechenland war ein Verstoß gegen Artikel 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Danach tritt kein Land für die Schulden eines anderen Euro-Landes ein. Genau dies wurde jedoch bei Griechenland gemacht und jetzt mit dem „Euro-Rettungschirm“ sogar institutionalisiert.
Der Selbständige: Der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann aus Berlin, ein Jurist, hat dem Stabilitätspaket mit der Begründung die Zustimmung verweigert, mit den Maßnahmen erreiche man nur einen begrenzten Zeitgewinn. Sehen Sie dies auch so?
Frank Schäffler: Mit den Maßnahmen wird der Euro geschleift, weil seine Säulen zerstört werden. Der Euro-Raum wird zur Haftungsgemeinschaft, die unweigerlich in Inflation enden wird.
Der Selbständige: Trotz Verschuldungskrise verfügen die heimischen Banken noch über ein Eigenkapital von rund 340 Milliarden Euro. Eine Insolvenz Griechenlands würde die Eigenkapitalbasis unseres Bankensystems um rund sechs Prozent reduzieren. Wäre das nicht verkraftbar?
Frank Schäffler: Sicher wäre dies verkraftbar, das Untergangsszenario habe ich nie geteilt. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehören Risiko und Verantwortung untrennbar zusammen. Wer dies außer Kraft setzt und Verluste sozialisiert, zerstört die Marktwirtschaft.
Der Selbständige: Peter Gauweiler klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Euro-Rettungsschirm. Gauweilers Eilantrag wurde vom BVerfG abgelehnt und dem Einwand der Bundesregierung, eine einstweilige Verfügung gegen das umstrittene Gesetz würde zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führen, Rechnung getragen. Kennt Not kein Gebot?
Frank Schäffler: Die EU ist leider keine Rechtsgemeinschaft. Die Kommission, die die Hüterin der Verträge sein sollte, kommt ihrer Aufgabe nicht nach, sondern betreibt den Rechtsbruch. Das zerstört das Rechtsempfinden der Menschen. Es wird schwierig sein, den Bürgern zu vermitteln, dass sie ein unsinniges Glühbirnenverbot befolgen sollen, wenn sich die Organe der EU selbst nicht an grundlegende Verträge halten.
Der Selbständige: Hätte Gauweiler mit seiner Klage Erfolg, würde dies nicht die EU erneut in eine tiefe Krise stürzen?
Frank Schäffler: Neben Gauweiler klagen auch andere gegen die Beschlüsse des Bundestags. Ich gehe davon aus, dass die Klagen dazu führen, dass das Rechtsempfinden gestärkt wird. Die Krise des Euro haben die Staats- und Regierungschefs und die Kommission zu verantworten. Sie haben die Situation geschaffen, in der wir heute stecken.
Der Selbständige: Der Euro verliert an Wert, und die Menschen, die es sich leisten können, flüchten in Sachwerte. Ein Zeichen dafür, dass das Volk der Politik nicht mehr traut?
Frank Schäffler: So ist es. Der Euro wird weicher. Das spüren die Menschen und suchen sich alternative Möglichkeiten der Wertaufbewahrung, egal ob dies Immobilien oder Gold sind.
Der Selbständige: Ist der Euro noch zu retten?
Frank Schäffler: Währungen kommen und gehen. Historisch haben Währungsverbünde über längere Zeit nicht funktioniert. Das befürchte ich auch für den Euro. Die wirtschaftliche Entwicklung zwischen den Südländern und den Nordländern ist so unterschiedlich, dass es den Euro auf Dauer nur mit massiven Transferleistungen geben wird. Das ist aber weder politisch noch ökonomisch auf Dauer finanzierbar.
Der Selbständige: Es gibt Vorschläge, beispielsweise in Deutschland eine Parallelwährung zum Euro einzuführen. Stichwort: Neue Deutsche Mark. Ließe sich durch eine solche Maßnahme die Krise meistern?
Frank Schäffler: Das greift zu kurz: Ein solches Vorgehen wäre aktuell allenfalls für Griechenland sinnvoll, um durch Abwertung der eigenen Währung wieder zumindest kurzfristig wettbewerbsfähig zu werden. Die Ursache unserer Finanz- und Überschuldungskrise von Staaten und Banken liegt in der Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts und der Möglichkeit, staatliches ungedecktes Zwangspapiergeld unbegrenzt vermehren zu können. Dagegen hilft nur eine Entmachtung der Zentralbanken und die Einführung einer marktwirtschaftlichen Geldordnung.
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