Frank Schäffler

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Ernährungswende: Es geht um die Wurst

Foto: Jonas Ingold. Schweine. (CC BY-SA 2.0) bei Flickr

An diesem Wochenende wird die „Internationale Grüne Woche“ in Berlin eröffnet. Greenpeace hat vor einigen Tagen schon den Aufschlag gemacht und ein „Kursbuch Agrarwende 2050“ vorgeschlagen. Darin fordern sie nichts anderes als die postume Umsetzung des Morgenthau-Plans vom August 1944. Damals wollte der amerikanische Finanzminister Henry Morgenthaus Deutschland nach Kriegsende zu einem Agrarstaat machen.

In einer „großen Ernährungswende“ setzten sie auf eine Umwandlung Deutschlands zum autarken Agrarstaat bis 2050. Voraussetzung dafür sei, dass sich 30 Prozent der Bevölkerung vegetarisch oder vegan, 45 Prozent flexitarisch und 25 Prozent fleischbetont, ernähren würden. Heute ernähren sich wenige Prozent der Bevölkerung vegan oder vegetarisch. Umsetzen wollen es die Aktivisten durch die „konsequente Nutzung und Umsetzung des bestehenden und einzuführenden Ordnungsrechts.“ Solche Planungshorizonte hat sich nicht mal die untergegangene Sowjetunion getraut. Damals hatte man schon große Mühe, den Fünfjahresplan einzuhalten. Doch wenn erst einmal ein neu einzuführendes Ordnungsrechts kommt, gelingt dies vielleicht dennoch. Auch in Goerge Orwells „1984“ schaffte das die Innere Partei. Sie führte als Neusprech den „Doppeldenk“ ein. Die Bürger wurden so lange manipuliert, bis sie Lügen für Wahrheit hielten. Wenn dann die Schokoladenration in Ozeanien auf 25 Gramm „heraufgesetzt“ wurde, obwohl sie eigentlich herabgesetzt wurde, wurden alle Dokumente der Vergangenheit, die das Gegenteil beweisen konnten, vernichtet oder umgeschrieben.
Was ist falsch am Vorschlag einer „großen Ernährungswende“? Es ist ihr konstruktivistischer Ansatz. Er basiert auf der Fiktion, dass alle relevanten Tatsachen irgendeinem einzelnen Geist bekannt seien und dass es möglich sei, aus diesem Wissen die Einzelheiten einer erstrebenswerten Gesellschaftsordnung abzuleiten. Ob durch den Umbau der Landwirtschaft in Deutschland das Klima der Welt gerettet werden kann, darf berechtigt bezweifelt werden. In Deutschland werden lediglich 2 Prozent des weltweiten CO²-Ausstoßes emittiert. Glaubt man an den menschgemachten Klimawandel, dann ist es fast irrelevant, wie stark in Deutschland die CO²-Emissionen reduziert werden. Länder wie China, USA oder Russland sind hier entscheidend. Ob die „biologische Vielfalt“ nicht einfacher durch andere Maßnahmen erreicht werden kann, bleibt ebenfalls offen.
Und ob es besser ist, wenn die Futtermittel zu 100 Prozent aus heimischem Anbau stammen, ist ebenfalls fraglich. Die Verfechter der „großen Ernährungswende“ unterliegen einer Planungsillusion, die bestenfalls naiv ist, denn wir leben nicht auf einer einsamen Insel, sondern mitten in Europa. Die Ernährung vieler Menschen, der Anbau, die Produktion und der Verkauf von Nahrungsmitteln ist derart komplex, dass dies niemals zentral von einem großen Ernährungsplaner im Rahmen einer „großen Ernährungswende“ vorgedacht werden kann. Greenpeace und andere blenden viel zu viele Daten und Einflussfaktoren einfach aus, die sie nicht kennen, oder nicht kennen wollen, um das Modell so anschaulich und so leicht verständlich zu machen. Damit beginnt der orwellsche Doppeldenk.
Was Greenpeace aber erreicht, ist, dass die Politik darauf reagiert. Nicht in einem großen Plan, sondern in kleinen Schritten.

Ernährungsminister Christian Schmidt ist so einer. Er will jetzt ein Label „Tierwohl“ einführen. Was für die Tiere gut ist, entscheidet hier die Politik, nicht der Konsument. Dieser wird an die Hand genommen, weil er über Jahre zu einem unwissenden „Fleischfresser“ degeneriert ist. Er muss sich von jetzt an um nichts mehr kümmern, sondern andere übernehmen für ihn die Arbeit. Ein anderer Fall ist die Kennzeichnungsorgie der Politik. Schmidt schlägt aktuell vor, dass der Gesetzgeber die Kennzeichnung dessen, was Fleisch oder Wurst ist, regeln muss. Vegetarische Wurst oder Schnitzel, darf nicht Wurst oder Schnitzel heißen, sondern „vegetarische Brotauflage“ oder „panierte Bratlinge“. Muss das die Politik regeln, ist das ein ernsthaftes Problem? Muss nicht der Konsument durch seine Kaufentscheidungen die Hersteller dazu bringen, Vertrauen beim Kunden zu schaffen?
Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, 30-Jahrespläne aufzustellen oder Bürger zu informieren, wie ein Tier vor seiner Schlachtung gelebt hat.

Natürlich braucht es in einer Gesellschaft auch Regeln. Diese gibt es in jeder Gesellschaft. Es sind Verhaltensregeln, die darin bestehen, dass sie im Handeln befolgt werden, ohne dass sie dem Handelnden in schriftlicher oder artikulierter Form bekannt sind. Solche Regeln kommen deshalb in einer Gesellschaft zur Geltung, weil sie die Gruppe in der sie eingehalten werden, faktisch stärker machen. Dadurch finden diese Regeln eine allgemeine Anerkennung. Diese Regeln verändern sich von Zeit zu Zeit, weil sich der kulturelle Hintergrund in einer offenen Gesellschaft verändert. Menschen essen mal mehr und mal weniger Fleisch, trinken mal mehr oder weniger Alkohol. Eine offene Gesellschaft lässt dies zu. Inzwischen achten immer mehr Menschen auf artgerechte Haltung und ressourcenschonende Ernährung. Aber sie tun es aus freien Stücken, und nicht wegen eines neuen „Ordnungsrechts“ oder der Verordnung eines Ministers. So funktionieren offene Gesellschaften. Nur in einer Gesellschaft orwellscher Prägung hat der Doppeldenk eine Chance.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog des Berliner Prometheus-Instituts.

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