Frank Schäffler

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„Es muss Aufgabe der FDP sein, für Meinungsvielfalt zu streiten.“

Der frühere Ressortleiter „Zeitgeschichte“ der Welt und Historiker Rainer Zitelmann, der seit 28 Jahren Mitglied der FDP ist, analysierte in einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin Focus, warum die Liberalen in bundesweiten Umfragen schwächeln und warum sie in Niedersachsen aus dem Landtag geflogen sind. Sein Fazit: Die FDP wird als zu links wahrgenommen. Zitelmann nennt acht Punkte, die sich ändern müssen, wenn die Partei wieder erfolgreich sein will. Der Bund der Selbstständigen NRW hat mit Frank Schäffler über Zitelmanns Artikel gesprochen.

DS-Magazin: Herr Schäffler, Sie gelten als kritischer Geist und unbequemer Vordenker innerhalb der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Bitte bewerten Sie aus Ihrer Sicht Zitelmanns Analyse. Welche der folgenden Originalzitate Zitelmanns finden Ihre Zustimmung? Welche Aussagen stoßen auf Ihren Widerspruch?

Stichwort Kompromisse: In einer Koalition muss man Kompromisse schließen. Aber Themen wie „Jährliche Wahl des Geschlechts“ bewegen keinen Menschen, FDP zu wählen, stoßen aber viele vor den Kopf. Die FDP hat den Fehler gemacht, sich mit Themen zu brüsten, die ihre Wähler nicht mögen.

Frank Schäffler: In der Tat: Wir haben versäumt, die marktwirtschaftlich orientierten Wähler anzusprechen, die unsere Zielgruppe sein müssen, um bei Wahlen erfolgreich zu sein. Wir haben in der Außendarstellung zu sehr unseren Schwerpunkt auf gesellschaftspolitischen Themen gelegt, die zwar in Teilen auch akzeptabel sind, aber nicht die Themen unserer Kernwählerschaft sind. Die FDP wird gewählt, steuerpolitische und ökonomische Fragen zu beantworten. Also: Was ist für die Mitte der Gesellschaft von Bedeutung, also für diejenigen, die regelmäßig morgens zur Arbeit gehen, die Steuern zahlen, die den Karren ziehen, damit der Sozialstaat finanziert werden kann? Kurzum: Diese Menschen sind unsere Zielgruppe und auf diese Menschen müssen wir unseren Politik-Fokus legen. Das haben wir vernachlässigt und deswegen haben wir im letzten Jahr bei den Wahlen auch Federn lassen müssen.

Stichwort Geistige Freiheit: Die FDP hat urliberale Themen vernachlässigt, z.B. das Thema geistige Freiheit. Umfragen zeigen, dass viele Deutsche sich nicht mehr trauen, ihre eigene Meinung zu sagen. Dies hat Wolfgang Kubicki auch in seinem Buch beschrieben, aber die FDP hat dieses Thema liegen lassen – aus Angst vor dem linksgrünen Mainstream.

Frank Schäffler: Diese Aussage von Zitelmann würde ich nicht zu 100 Prozent unterschreiben wollen, weil Wolfgang Kubicki eine starke Stimme der FDP ist und seine Meinung auch öffentlich macht. Auch für mich ist das Thema Geistige Freiheit ein wichtiges Thema und deshalb unterstütze ich Wolfgang Kubicki wo immer ich kann. Das Phänomen Cancel Culture gab es vor 15 Jahren in dieser Form noch nicht. Diese gesellschaftliche Welle kam über Amerika nach Europa und wollte ursprünglich erreichen, dass Meinungsfreiheit nicht so verstanden wird, nur das Mehrheitsprinzip durchzusetzen, sondern dass sich auch Minderheiten artikulieren dürfen und können. Inzwischen ist die Situation aber so, dass eine Minderheitenmeinung zu Mehrheitsmeinung hochstilisiert wird und dann die tatsächliche Mehrheitsmeinung mundtot gemacht wird. Ich finde, dass dies eine schlimme Tendenz in unserer Gesellschaft ist. Für mich steht fest, dass wir uns als Liberale ausdrücklich gegen diese Entwicklung wehren müssen. Aber das ist weniger eine gesetzgeberische Frage, sondern eher eine Frage des Mutes. Liberale müssen mehr Mut zur Freiheit zeigen und dies auch deutlich machen. Und sie müssen sich dann auch an die Seite derer stellen, die in ihrer Meinung durch die Apologeten der Cancel Culture an den Pranger gestellt werden. Kurzum: Es muss Aufgabe der FDP sein, für Meinungsvielfalt zu streiten.

Stichwort Migration: Die FDP-Wähler wissen, dass wir Fachkräfte brauchen. Und natürlich war es richtig, Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Aber die FDP-Wähler sind strikt gegen Asylmissbrauch und Zuwanderung in die Sozialsysteme. SPD und Grüne vertreten genau die gegenteilige Position zu den Überzeugungen der FDP-Wähler. Das Thema gewinnt bald wieder Brisanz, manche warnen vor einem neuen 2015. Die FDP muss bei diesem Thema hart bleiben – sie weiß die Mehrheit der Deutschen auf ihrer Seite.

Frank Schäffler: Dieses Thema kann nur europäisch gelöst werden. Wenn die Grenzen innerhalb Europas abgebaut werden, müssen die Außengrenzen so robust sein, dass man nicht unkontrolliert in die EU einreisen kann. Dafür muss Frontex robust aufgestellt werden. Vor allem die Grenzländer in Südeuropa müssen ihre Aufgabe erfüllen. Das Asylverfahren muss in dem Land durchgeführt werden, in das der Asylsuchende einreist. Es kann nicht sein, dass die Asylbewerber sich das Land ihrer Wahl aussuchen können, hier vor allem Deutschland, nur weil europaweit in Deutschland die höchsten Sozialleistungen gezahlt werden.

DS-Magazin: Nun ist es aber so, dass derjenige, der von gescheiterter Migrationspolitik spricht, weil zu viele Gefährder nach Deutschland eingereist sind, Angst haben muss, dass er sofort in die rechte Ecke gestellt oder als Ausländerfeind apostrophiert wird. Sehen Sie das Problem auch?

Frank Schäffler: Ich sehe das Problem. Natürlich muss derjenige der eine wie Sie beschriebene Meinung äußert, damit leben, ebenfalls kritisiert zu werden. Aber es geht im Kern darum, ob man eine gesellschaftliche Ächtung erfährt, wenn man einen Sachverhalt schildert – also sofort als rechts oder gar als Nazi etikettiert wird. Das ist eine Tendenz, die die Linken in der Gesellschaft kultiviert haben. Inzwischen müssen wir feststellen, dass es ein Unterschied gibt, ob Migrantengruppen in Berlin in der Silvesternacht Rettungswagen oder die Polizei angreifen oder ob in Lützerath der linke Mob die Polizei angreift. Der Sachverhalt ist eigentlich gleich. Wird aber unterschiedlich beurteilt. Die gewalttätigen Demonstranten in Lützerath werden auch nicht Verbrecher oder Straftäter genannt, sondern verharmlosend Aktivisten. So werden kriminelle Taten beschönigt.

Stichwort Kernkraft:  Aus Furcht vor dem linksgrünen Mainstream hat es die FDP versäumt, sich für die Kernkraft einzusetzen, obwohl hinter vorgehaltener Hand viele Liberale zugaben, dass der Ausstieg ein Fehler war. Erst nachdem die Mehrheit der Wähler für Kernenergie war und die aktuellen Probleme drängend wurden, ist die FDP teilweise umgeschwenkt. Glaubwürdiger wäre es gewesen, hätte sie das vor Jahren schon gemacht. Und jetzt gilt: Es geht nicht darum, die Kernkraftwerke einige Monate länger laufen zu lassen, sondern viele Jahre. Und den Weg für den Bau neuer Kernkraftwerke offen zu halten. Auch hier weiß die FDP inzwischen die Mehrheit der Wähler auf ihrer Seite und sollte daher dieses Thema – ebenso wie das Thema Zuwanderung – zur Koalitionsfrage machen.

Frank Schäffler: Ich bin zu 100 Prozent der Meinung von Rainer Zitelmann, die ich auch seit Jahren vertrete. Ich kann für mich in Anspruch nehmen, dass ich 2012 gegen den Ausstieg aus der Kernenergie gestimmt habe, weil ich ihn für falsch hielt und auch heute noch für falsch halte. Es ist fatal, dass die ersten Reaktoren zum 31. Dezember 2021 abgeschaltet wurden und die drei jetzt noch aktiven Reaktoren auch zum 15. April diesen Jahres abgeschaltet werden sollen. Nach meiner Überzeugung müssen diese Kernkraftwerke weiter am Netz bleiben und der Rückbau der alten Reaktoren muss gestoppt werden. Wir brauchen nach meiner Meinung dauerhaft Kernenergie. Deshalb müssen wir stärker wieder in die Forschung investieren. In dieser Frage herrscht breiter Konsens in der FDP und deshalb werden wir natürlich innerhalb der Koalition Druck in dieser Frage ausüben. Deshalb muss man nicht immer sofort die Koalitionsfrage an sich stellen, sondern man muss Druck auf den Koalitionspartner ausüben. Wenn ich lese, dass in Baden-Württemberg zum Stromsparen zwischen 17 und 19 Uhr aufgefordert wird, dann ist das für mich ein Alarmzeichen, was zeigt, dass die Stromnetze nicht ausreichend ausgebaut wurden und dass es nicht hilft, wenn wir überproportional viel Strom aus Windkraft produzieren.

Stichwort Gendergaga: Die Genderideologie geht vielen Menschen auf die Nerven. Die FDP ist (außer der AfD) die einzige Partei ohne Frauenquote. Dabei muss es bleiben. Sie muss sich von der Gleichstellungs-Rhetorik distanzieren, die mit einem liberalen Menschenbild nichts zu tun hat. Sie bräuchte jemanden, die das glaubwürdig vertritt.

Frank Schäffler: Auch in dieser Frage teile ich die Meinung von Rainer Zitelmann und hoffe, dass die FDP in dieser Frage ihre Haltung beibehält. Wir haben keine Quote in der Partei und wir haben auch keine Doppelspitze – zumindest nicht verpflichtend. Die ganze Identitätspolitik, die ja in den anderen Parteien Einzug erhält, mit Migrationsquoten, mit Geschlechterquoten und anderen Quoten – das alles spielt zum Glück in der FDP keine Rolle. Daher ist für alle, die das genauso sehen, die FDP eine gute politische Heimat. Die ganze Gender-Ideologie ist immer dort problematisch, wo sie per Zwang versucht, ihre Philosophie durchzusetzen. Wegen mir kann jeder schreiben wie er will, also mit Sternchen und Unterstrich. Aus meiner Sicht ist verpflichtendes Gendern aber nicht akzeptabel in Bereichen, in denen der Staat tätig wird, oder beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da hört der Spaß auf und da muss auch eine liberale Gesellschaft hart dagegenhalten.

Stichwort Mut: Vor allem: Die FDP braucht Mut. Sie darf sich nicht an den Kommentatoren in ARD und ZDF ausrichten, sondern nach klassisch-liberalen Prinzipien und nach ihren Wählern. Das, und nicht das Wohlwollen linker Medien, muss Orientierungspunkt für die Partei sein. Gegenwind von ARD und ZDF und anderen linken Medien sowie schrille Empörung von Kevin Kühnert und Ricarda Lang wären ein sicheres Zeichen, dass die Liberalen auf dem richtigen Weg sind.

Frank Schäffler: Das sehe ich genauso, darf aber festhalten, dass die Mediendominanz, die die öffentlich-rechtlichen Sender haben, bröckelt. Und das ist auch gut so, weil die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht mehr so weiter machen können wie bisher. Das hat übrigens auch der Intendant des WDR erkannt und deutlich gemacht. Deshalb gehe ich davon aus, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in fünf bis zehn Jahren sich nicht mehr so darstellt, wie bisher – was im Übrigen auch am Medienverhalten der Menschen liegt. Stichwort: Digitale Angebote. Das zieht Konsequenzen nach sich. Wir haben den teuersten Rundfunk der Welt mit über 8 Milliarden Euro Beitragseinnahmen. Ich gehe nicht davon aus, dass das dauerhaft so bleibt, weil auch die Rechtsprechung nicht vom Verhalten der Nutzer völlig abweichen kann. Dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Rundfunkgebühren praktisch selbst genehmigen können, weil dies das Bundesverfassungsgericht faktisch so ermöglicht hat, wird auf Dauer nicht funktionieren.

DS-Magazin: Sie sind kritisch mit der Forderung an die Öffentlichkeit getreten, dass die FDP-Fraktion im Bundestag stärker in Erscheinung treten müsse. Heißt das, dass sich Ihre Partei allzu sehr auf Christian Lindner fokussiert?

Frank Schäffler: Die FDP-Fraktion muss auch in einer Regierungskoalition eine eigenständige Rolle spielen. Sie muss auch einmal ein Stoppschild hochhalten und sagen, da machen wir nicht mit. So zuletzt geschehen, beim Thema Impfpflicht. Letztendlich ist die Impfpflicht in Deutschland gescheitert, weil die FDP den Rücken gerade gemacht und nicht zugestimmt hat, was belegt, dass die Fraktion schon eine eigenständige Rolle spielen kann. Das muss sie aber öfter machen. Wir dürfen nicht nur administrieren, was die Regierung quasi im Kabinett beschließt und der Beschluss dann im Parlament durch uns nur noch abgenickt wird, sondern wir müssen ein Teil dieses Machtspiels sein und unsere eigenen Interessen durchsetzen. Denn die sind nicht immer identisch mit denen der Kabinettsmitglieder. Das betrifft übrigens auch die Kabinettsmitglieder der eigenen Partei. Und in der Fraktion ist man immer gut beraten, wenn es nicht nur einen Abgeordneten gibt, der in den Debatten in Erscheinung tritt.

Stichwort Führung: Wenn die FDP das alles beherzigt, hat sie eine Chance. Aber es wird nur funktionieren, wenn sie es aus innerer Überzeugung tut und mit allem bricht, wofür beispielsweise ein Gerhart Baum steht. Sie braucht in ihrer Führung neben Christian Lindner Persönlichkeiten, die für genau diese sieben Punkte stehen. Sie hat solche Politiker – beispielsweise Oliver Luksic oder Frank Schäffler, vielleicht auch andere.

Frank Schäffler: Mit der Person Oliver Luksic liegt Rainer Zitelmann völlig richtig. Gerhart Baum spielt in der FDP keine Rolle mehr. Baum wird nur von den öffentlichen Medien hochgejagt, weil man einen Stachel setzen will. Klar ist, die FDP und die Bundesfraktion besteht aus unterschiedlichen Charakterköpfen. Und davon bin ich natürlich auch einer – aber wie gesagt: Ich bin nicht der Einzige.

DS-Magazin: Sie würden also nicht Christian Lindners legendären Satz „Besser nicht regieren, als schlecht regieren“ auf die jetzige Koalition zugespitzt sehen?

Frank Schäffler: Was wäre denn die Alternative? Da die Union es in die Büsche geschlagen hat, wurden wir faktisch in dieser Koalition gedrängt. Insofern sind wir durchaus in einer etwas misslichen Situation. Aber es muss die Frage erlaubt sein, was hätte eine Koalition mit der CDU/CSU in der Pandemie, oder durch den Ukraine-Krieg, oder beim Sondervermögen für die Bundeswehr und bei den Energiepreisen anders gemacht? Vor allem, wenn man um die Affinität der CDU zu den Bündnisgrünen weiß.

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