Frank Schäffler

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EZB: Von Falken und Tauben

Foto: European Parliament. ECB President Mario Draghi at the EP next to ECON chair Sharon Bowles. (CC BY-NC-ND 2.0) auf Flickr

Seit bald sechs Jahren ist der Italiener Mario Draghi Präsident der Europäischen Zentralbank. Seine Amtszeit läuft noch bis 2019. Doch schon jetzt wird eine Diskussion darüber geführt, wer seine Nachfolge antreten soll. Der Bundesbankpräsident Jens Weidmann gilt als einer der Favoriten. Er wäre sicherlich eine sehr gute Wahl, weil er sich einen kritischen Blick auf die EZB-Geldpolitik bewahrt hat und den mangelnden Reformwillen der Südstaaten immer wieder kritisiert. Jüngst fiel er dadurch auf, dass er der EU-Kommission Prinzipienlosigkeit vorwarf. Diese Klarheit und der Durchblick sprechen für ihn. Er steht damit in einer guten Tradition. Auch sein Vorgänger Axel Weber war und ist ein Kritiker der EZB-Politik. Auch er galt als potentieller Nachfolger des damaligen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet. Auch er vertrat im EZB-Rat eine Minderheitenmeinung. Und auch bei ihm hatte die Öffentlichkeit lange Zeit den Eindruck, die Bundesregierung und insbesondere Angela Merkel unterstützen ihn bei der Kandidatur. Letztlich ließ Angela Merkel ihren Kandidaten während der Euro-Krise 2011 fallen, was Weber zum Rücktritt als Bundesbankpräsidenten veranlasste.
Ob Weidmann bessere Karten hat als Weber ist fraglich. Zwar ist er näher an Angela Merkel dran als sein Vorgänger. Immerhin war Weidmann zuvor Abteilungsleiter im Kanzleramt und „Sherpa“ Merkels für G8- und G20-Treffen. Aber die Dominanz Merkels und Deutschlands in der Europapolitik ist vielen ein Dorn im Auge. Schon bringt die französische Seite ihren Notenbankgouverneur Francois Villeroy de Galhau ins Gespräch.
Letztlich geht es um die Entscheidung, ob eher ein Präsident gewählt wird, der die Politik des billigen Geldes fortsetzt, oder jemand, der die Abhängigkeit von der Nullzinspolitik und den Schuldenaufkaufprogrammen beendet. Es sind zwei völlig unterschiedliche Konzepte. Die Vertreter der einen „Philosophie“ sind die Tauben, die niedrige Zinsen befürworten, um Wirtschaftswachstum anzuregen und den hohen Schuldenstand von Staaten, Banken, Unternehmen und privaten Haushalten finanzieren zu können. Sie glauben, dass man so aus der Krise herauswachsen kann. Die anderen sind die Falken: sie wollen jetzt den Einstieg aus dem Ausstieg des billigen Geldes einleiten. Auch sie sehen die Gefahren, die durch die Insolvenzen von Staaten und Banken entstehen könnten. Sie glauben aber, dass die Gefahren der fortgesetzten Zinsmanipulation noch größer sind.
Mario Draghi hatte sich 2011 vor seiner Kandidatur als Falke präsentiert. Damals lobte er in einem Interview in der FAZ die deutsche Stabilitätskultur, die die Deutsche Bundesbank über viele Jahrzehnte repräsentiert habe. Er hielt die Maastricht-Kriterien hoch und die Unabhängigkeit der Notenbank. Er wollte den Deutschen die Angst nehmen, dass ein EZB-Präsident aus Italien die Regeln schleifen und den Euro in eine mediterrane Tradition überführen würde. Heute müssen wir feststellen, dass er diese Rolle nur gespielt hat. Tatsächlich ist Mario Draghi eine Taube im Falkenkleid. Er hat dafür gesorgt, dass die EZB Schulden in noch nie dagewesener Dimension aufkauft. Am Ende ihres Anleihenaufkaufprogrammes wird die EZB dafür 2.300 Milliarden Euro aus dem Nichts geschaffen haben. Alles was nicht niet- und nagelfest ist, wird von der EZB gekauft, um mittelbar die Zinsen zu drücken. Die Märkte sind in vielen Bereichen inzwischen leergefegt. Wenn es so weitergeht, kauft die EZB bald auch alte Fahrräder und gibt dafür neues Papiergeld heraus.
Jens Weidmann war im EZB-Rat nicht der einzige, der dies von Anfang an kritisiert hat. Auch sein estnischer Kollege Ardo Hannson gehörte dazu. Man müsse die Frage stellen, ob die EZB eine verbotene Staatsfinanzierung betreibe, sagte er 2014 der Süddeutschen Zeitung. Der Harvard-Absolvent hat 2001 die Estnische Krone an die DM und 2002 dann an den Euro gekoppelt. Er hat gezeigt, dass er ein Falke ist. Er kommt aus einem Land mit vorbildlicher Fiskalpolitik und echtem Reformgeist. Hansson wäre ein guter Kandidat für die Draghi-Nachfolge. Je eher desto besser.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Tichys Einblick.

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