FAS-Interview

Am 25. Juni 2011 sprach Frank Schäffler mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über die Situation in der FDP.

Das ganze Interview (kostenpflichtig) finden Sie hier.

FRAGE: Herr Schäffler, seit einem Jahr machen Sie gegen die Rettungspakete für den Euro mobil, als FDP-Obmann im Finanzausschuss mussten Sie deshalb zurücktreten. Was treibt Sie?

ANTWORT: Bei tagespolitischen Entscheidungen bin ich durchaus bereit, mich der Fraktionsdisziplin zu beugen. Aber die Schuldenkrise ist eine fundamentale Frage, die nachfolgende Generationen noch belasten wird. Wir können sie nicht mit immer neuen Krediten bekämpfen. Je länger wir mit einem Schuldenschnitt warten, desto teurer wird er.

FRAGE: Riskieren Sie mit Ihrem Widerstand gegen die Hilfspakete das Ende von Schwarz-Gelb?

ANTWORT: Es geht bei den Rettungspaketen nicht um eine Auseinandersetzung in der Koalition, sondern zwischen Parlament und Regierung. Und nicht immer führt eine fehlende Kanzlermehrheit zum Ende der Koalition. Für den Umtauschkurs der DDR-Mark gab es 1990 keine eigene Mehrheit, trotzdem haben Union und FDP noch acht Jahre erfolgreich regiert.

FRAGE: Trotzdem: Werden Ihre Fraktionskollegen ein Nein riskieren – wenn sie bei Neuwahlen wohl ihr Mandat verlieren?

ANTWORT: Das Argument lässt sich auch umdrehen. Die FDP steht am Abgrund. Viele Kollegen wissen: Wenn die Partei so weitermacht wie bisher, verlieren sie ihr Mandat sowieso. Das macht frei.

FRAGE: Von Ihren Fraktionskollegen werden Sie geschnitten, heißt es.

ANTWORT: Anfangs wurde getuschelt. Ich wurde in Abstimmungsprozesse nicht mehr einbezogen. Nachdem ich im Herbst den Liberalen Aufbruch gegründet hatte, wurde es noch schlimmer. Da gab es ein offenes Tribunal in der Fraktion.

FRAGE: Erfahren Sie von Kollegen auch Zustimmung?

ANTWORT: Seit letztem Jahr hat sich Entscheidendes verändert. Man redet wieder mit mir, man frotzelt schon mal. Viele sagen, dass sie Respekt vor meiner Entscheidung haben. Inzwischen gibt es zwei, drei Handvoll Kollegen, die meine Position inhaltlich teilen. Auch wenn sie es aus unterschiedlichen Gründen nicht laut sagen.

FRAGE: Ist dabei auch die Angst im Spiel, womöglich die falsche Entscheidung zu treffen? Sind Sie ganz sicher, dass es bei einer Ablehnung der Hilfspakete nicht zu dem Crash kommt, vor dem die Befürworter warnen?

ANTWORT:Mit letzter Sicherheit weiß ich das natürlich nicht. Aber weiß denn die andere Seite, welche Folgen ihre Hilfspakete haben? Dann wäre die Welt heute in Ordnung, wenn wir Lehman gerettet hätten. Daran glaube ich nicht.

FRAGE: Von einem liberalen Urknall sprachen Sie einmal. Was, wenn es am Ende wirklich knallt?

ANTWORT: Das bezog sich auf die FDP, die in der Koalition wieder sichtbar werden muss. Was wir in der Finanzkrise erleben, hat sehr viel mit dem Geldsystem zu tun. Die Zentralbanken haben diese Krise im Kern verursacht – durch ihre Politik des billigen Geldes. Deshalb müssen wir sie entmachten und einen Wettbewerb verschiedener Währungen zulassen. Dann kann jeder selbst entscheiden, welches Zahlungsmittel er verwenden will.

FRAGE: Diese Idee lokaler Währungen, etwa den Chiemgauer in Bayern, vertreten auch eher linke Aktivisten. Sympathisieren Sie damit?

ANTWORT: Da geht es darum, das Geld möglichst schnell wieder in Umlauf zu bringen, statt es für Zinsen anzulegen. Das wäre nicht meine Philosophie, aber ich will solche Ansätze nicht verhindern. Das sollte in einem solchen Wettbewerb der Währungen möglich sein.

FRAGE: Manche Fraktionskollegen werfen Ihnen angesichts solcher Argumente vor, Sie dächten nur ökonomisch, nicht politisch.

ANTWORT: Denen sage ich: Man kann Politik nicht dauerhaft gegen ökonomische Regeln machen. Der Euro ist zu früh eingeführt worden. Alles, was die Kritiker damals vorgebracht haben, ist eingetreten. Jetzt reden wir über einen neuen Marshallplan. Aber das hat seinerzeit nur funktioniert, weil es gleichzeitig eine Währungsreform gab.

FRAGE: Ist Ihre Sicht auf die Kapitalmärkte auch dadurch geprägt, dass Sie selbst jahrelang Lebensversicherungen verkauft haben?

ANTWORT: Das Modell der Lebensversicherung ist durch die Politik des billigen Geldes und der hohen Staatsverschuldung in Gefahr. Niedrige Zinsen und hohe Inflation zehren die Guthaben auf, der Glaube an private Vorsorge ist erschüttert. Damit werden sich die Parteien auseinandersetzen müssen. Wenn die Anleger irgendwann sagen, dieser blöde Kapitalismus ruiniert meine Altersvorsorge, dann wirft das schon eine Systemfrage auf.

FRAGE: Sind Sie etwa ein Antikapitalist?

ANTWORT: Da bin ich unverdächtig. Aber eines tut mir als Marktwirtschaftler weh – dass wir in der europäischen Schuldenkrise genau das tun, was uns die Sozialisten immer vorwerfen: Wir privatisieren Gewinne und sozialisieren Verluste.

FRAGE: Jetzt redet die Koalition trotz hoher Staatsverschuldung von Steuersenkungen. Haben wir den Griechen nicht gerade vorgeworfen, ihre Steuersätze seien zu gering?

ANTWORT: Das Problem in Griechenland ist nicht die Höhe der Sätze, sondern dass die Steuern nicht eingetrieben werden. Vor allem aber sind die Staatsausgaben zu hoch – der Militäretat zum Beispiel.

FRAGE: Manche sagen, Sie wollten den Griechen einfach nur kein Geld geben – weil Sie gegen Europa sind.

ANTWORT: Ich bin überzeugter Europäer – in dem Sinne, dass wir frei reisen können und uns nicht mehr die Köpfe einschlagen. Aber die Europäische Union kann nur funktionieren, wenn sich alle an Regeln halten.

FRAGE: Sie haben Ausbildungszeit und Berufsleben in Westfalen verbracht. Hat es Sie nie gereizt, etwa im Ausland zu studieren?

ANTWORT: Ich wäre gerne nach Amerika oder England gegangen. Aber ich war früh Fraktionsvorsitzender im Kreistag. Da kann man nicht einfach für ein halbes Jahr weggehen.

FRAGE: Wohin fahren Sie in Urlaub?

ANTWORT: Dieses Jahr auf die Kanaren. Aber in Griechenland war ich schon, falls Sie darauf hinauswollen. Ein wunderschönes Land.

FRAGE: Bisweilen wird Ihr politischer Eigensinn mit Ihrer westfälischen Sozialisation begründet. Ist da etwas dran?

ANTWORT: Ein bisschen schon, obwohl ich erst mit zehn Jahren aus dem Schwabenland hergezogen bin.

FRAGE: Auch dort schaut man aufs Geld.

ANTWORT: Jürgen Rüttgers sagte einmal, Ostwestfalen-Lippe sei das Schwabenland Nordrhein-Westfalens. Wir mussten immer selbst vorankommen, aus der Armut eine Tugend machen. Das hat uns gutgetan.

FRAGE: Es gibt Leute, die warnen vor der Gründung einer Euro-Partei. Wird es dazu kommen?

ANTWORT: Mit mir nicht, um das klar zu sagen. In der Partei wächst die Zustimmung. Deshalb will ich diesen Weg innerhalb der FDP weitergehen, nicht etwa außerhalb.

Das Gespräch führte Ralph Bollmann.

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