„ Helikoptergeld“ ist das neue Zauberwort. Es spukt seit geraumer Zeit durch die Finanzwelt. Gemeint ist damit, dass die Zentralbank an den Banken vorbei Kredite und damit neues Geld an die Wirtschaft oder die Bürger ausreicht, um damit Investitionen oder den Konsum anzuregen. Im übertragenen Sinne wirft also der Zentralbankchef aus dem Hubschrauber frische Geldscheine auf die Erdenbürger und schafft dadurch Wohlstand. Eine faszinierende Vorstellung. Deshalb ist sie bei Leuten, die dem Staat eine dominierende Rolle bei der Steuerung der Wirtschaft beimessen, besonders beliebt.
Jüngst hat Oskar Lafontaine diesen Vorschlag aufgegriffen. Seine Argumentation klingt auf den ersten Blick bestechend. Die Banken komme ihrer Pflicht nicht nach, genügend Kredite an die Wirtschaft auszureichen und deshalb müsse die Notenbank diese Rolle notgedrungen übernehmen, um die Wachstumsschwäche zu überwinden. Das klingt ein wenig so, wie wenn ein Stromausfall durch einen Kurzschluss eintritt und der Elektriker sich daran macht, die Ursache zu suchen. Da wir dieses Kabel mal abgeklemmt, jenes mal angeschlossen und dann schaut man, was passiert. Ist die Ursache des Kurzschlusses festgestellt, wird das Kabel neu verlegt, die Fassung erneuert und das Problem ist gelöst.
Doch Wirtschaft ist kein Stromkreis und mangelndes Wachstum kein Kurzschluss. Mit Elektrotechnik kommt man hier nicht weiter. Wachstum setzt eine Menge mehr voraus, als frisches Geld, das einfach gedruckt wird. Denn wenn es so einfach wäre, könnte sich Mario Draghi vor die Opel-Werkstore in Rüsselsheim stellen und jedem Arbeiter beim Schichtwechsel einen 500-Euro-Schein in die Hand drücken, um die Konjunktur anzukurbeln. Das wäre absurd, aber in der Schuldenkrise kann selbst Absurdes bald Wirklichkeit werden.
Gelddrucken, um die Wirtschaft anzukurbeln, verkennt einen wesentlichen Zusammenhang, nämlich, dass der Konsumverzicht die Voraussetzung für Investitionen und diese wiederum die Voraussetzung für Wachstum sind. Ein Beispiel: Man stelle sich Robinson Crusoe auf einer einsamen Insel vor. Mit einer Angel muss er jeden Tag Fische fangen, um zu überleben. Will er seine Situation verbessern und mehr Fische fangen, braucht er ein Netz. Kommt er auf die Idee, sich dieses Netz zu knüpfen, hat er keine Zeit mehr, mit der Angel Fische zu fangen. Er muss Fische sparen und dafür Konsumverzicht üben. Erst dann kann er seine Situation verbessern. Erst dann hat er Zeit, ein Netz zu knüpfen, das ihm anschließend erlaubt, mehr Fische in der gleichen Zeit zu fangen.
Was die Helikopter-Ökonomen und -Politiker wollen, ist ein Schlaraffenland, das Wohlstand ohne Anstrengung schafft. Doch dieses Schlaraffenland gibt es nicht. Es wäre so wie wenn Robinson Crusoe plötzlich ganz viele Fische angeschwemmt bekäme, von denen er sich wochenlang ernähren könnte. In der Zwischenzeit würde er dick und faul. Seine Fähigkeiten zu angeln, würde er peu á peu verlieren. Nach einigen Wochen wäre seine Situation schlechter als vorher.
Genau so ist es in der Euro-Schuldenkrise derzeit auch. Das billige Geld der Europäischen Zentralbank hat die Reformbereitschaft erlahmen lassen. Alle verlassen sich darauf, dass die EZB frisches Geld auf den Markt schmeißt. Noch kein Helikoptergeld, aber dennoch so viel billiges Geld, dass die Staatsausgaben mit Nullzinsen viel einfacher finanziert werden können. Deshalb ist es auch einfacher neue Schulden zu machen. Der neue Musterknabe in Europa, Spanien, ist ein gutes Beispiel. Seine Neuverschuldung lag im vergangenen Jahr mit 5,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung weit über dem Maastricht-Kriterium von drei Prozent. Wenn die so weitermachen, wird Mario Draghi bald den Helikopter starten.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.
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