Frank Schäffler

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Interview: „Ein guter Tag für den Währungsraum“

Photo by Finn Protzmann on Unsplash
Frank Schäffler im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann im Deutschlandfunk.

Das Vorgehen der EZB sei in der Vergangenheit nicht transparent genug gewesen, sagte Finanzpolitiker Frank Schäffler (FDP) im Dlf. Dem habe Karlsruhe nun einen Riegel vorgeschoben. Künftig werde die Notenbank bei Anleihekäufen auch wirtschaftspolitische Auswirkungen berücksichtigen müssen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank EZB beanstandet. Die Notenbank habe mit dem 2015 gestarteten Programm ihr Mandat für die Geldpolitik überspannt, entschieden die Karlsruher Richter. Die Bundesbank darf künftig nur mitmachen, wenn der EZB-Rat nachvollziehbar darlegt, dass die mit dem Kaufprogramm angestrebten währungspolitischen Ziele nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Auswirkungen stehen.

Regierung und Bundestag „zu stärkerem Handeln gezwungen“

Dirk-Oliver Heckmann: Das Verfassungsgericht erklärt das Anleihekaufprogramm der EZB namens PSPP zum Teil für kompetenzwidrig. Sie haben ja die Euro-Rettungspolitik immer wieder scharf kritisiert. Fühlen Sie sich bestätigt?

Schäffler: Ja, natürlich! Denn die Kollateralschäden, die auch das Verfassungsgericht jetzt bemängelt hat, die hier eintreten, das ist das, was die Kritiker immer bemängelt haben, dass die Sparer enteignet werden, dass die Lebensversicherungsnehmer um ihr Eigentum betrogen werden, dass es Vermögenspreisblasen gibt, dass der Bankensektor in Schieflage gerät, auch die gesunden Unternehmen sukzessive zu Zombie-Unternehmen werden. All das hat das Verfassungsgericht jetzt zum ersten Mal so dezidiert genannt, und dass das nicht verhältnismäßig war, oder zumindest nicht begründet wurde von der EZB, das finde ich schon sehr, sehr bemerkenswert und deshalb bin ich auch ganz froh, dass das so gelaufen ist, denn es hat auch die Regierung und im Bundestag zu stärkerem Handeln gezwungen. Der Bundestag hat eigentlich alles immer durchgewunken. Ich kann mich erinnern: Zu Beginn der Finanzkrise 2010 war es eine Majestätsbeleidigung, wenn man die EZB kritisiert hat. Inzwischen ist das durchaus möglich.

Bundestag- und Regierung müssten sich stärker um EZB kümmern

Heckmann: Wobei man dazu sagen muss, Herr Schäffler, wenn ich da kurz einhaken darf, dass die Sparer betrogen werden, das ist jetzt nicht die Formulierung des Verfassungsgerichts. Das sind Ihre Formulierungen. Dennoch ist es ja so, dass die Richterinnen und Richter gesagt haben, die Bundesregierung und der Bundestag, die hätten durch ihr tatenloses Zusehen Grundrechte verletzt. Welche Dimension hat diese Entscheidung aus Ihrer Sicht?

Schäffler: Ja, es hat die Dimension, dass der Bundestag sich stärker um dieses Thema kümmern muss. Auch die Ausschüsse des Deutschen Bundestages müssen sich intensiver mit der Politik, mit der Geldpolitik und der Wirtschaftspolitik der EZB kümmern, und das erfordert auch, meine ich, administrative und organisatorische Voraussetzungen, dass das überhaupt möglich ist. Wir müssen stärkere Informationen auch bekommen, was die EZB tatsächlich macht. Das hat ja auch das Bundesverfassungsgericht ein Stück weit im Unklaren gelassen, dass ihm nicht alles bekannt ist, was die EZB macht, und ich glaube, das ist jetzt eine wichtige Aufgabe, die auch der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung machen müssen.

EZB müsse transparenter werden

Heckmann: Dazu kommen wir gleich noch mal konkret. Ich möchte trotzdem noch ein bisschen bei dem Urteil bleiben. Der Vorwurf der Kläger war ja gewesen, immer wieder, auch bei den vorangegangenen Prozessen ja auch, die EZB betreibe Staatsfinanzierung, monetäre Staatsfinanzierung. Das aber ganz genau wurde eben nicht bestätigt, und Karlsruhe hat auch nicht gesagt, dass die Beteiligung der Bundesbank sofort gestoppt werden müsse, sondern es wurde jetzt eine Frist von drei Monaten gesetzt, in der die EZB Vor- und Nachteile genau begründen muss, und dann könnte es im Prinzip weitergehen.

Schäffler: Ja, das stimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht gesagt, dass es keine Staatsfinanzierung ist, sondern dass es aktuell nach den ihr zur Verfügung stehenden Informationen keine Staatsfinanzierung ist. Jetzt müssen wir natürlich ein bisschen stärker schauen, was tatsächlich passiert. Wir haben ja auch eine nationale Geldschöpfung der nationalen Notenbanken, die sogenannte Anfa-Problematik, wo Griechenland und Italien Geld schöpfen und in den Geldkreislauf bringen. Das sind aus meiner Sicht mittelbare Staatsfinanzierungen, die hier stattfinden. Das hat das Bundesverfassungsgericht jetzt noch gar nicht berücksichtigt.

Das heißt, man muss natürlich bei diesem Thema dran bleiben. Deshalb muss auch die EZB stärker transparent darlegen, was sie tatsächlich macht, und insofern ist das ein gutes Urteil, weil der Druck der deutschen Bundesbank wird jetzt dafür sorgen, dass die EZB transparenter werden muss.

Niedrigzinspolitik der EZB: „Auf Sand gebaut“

Heckmann: Man kann das Urteil auch so lesen, Herr Schäffler, dass die Richterinnen und Richter gesagt haben, das Anleihekaufprogramm geht in Ordnung, wenn Bundesregierung und Bundestag besser in diese Entscheidung eingebunden sind?

Schäffler: Nein! Ich glaube, so kann man es nicht interpretieren, sondern die EZB muss es besser begründen. Sie muss ihre Entscheidung nachvollziehbar machen und sie darf es nicht nur mit dem Inflationsziel nahe zwei Prozent begründen, sondern sie muss auch die anderen wirtschaftspolitischen Auswirkungen berücksichtigen, wie gesagt auf den Bankensektor, auf den Sparer, auch die wirtschaftlichen Situationen der Unternehmen. Das muss ebenfalls abgewogen werden und das muss sie ausreichend nachvollziehen und darlegen, und das hat sie bisher nicht gemacht.

Heckmann: Und wenn sie es nicht tut, hat die Bundesregierung, hat der Bundestag die Pflicht zu sagen, Stopp, bis hierher und nicht weiter?

Schäffler: Genau! – So ist es.

Heckmann: Erwarten Sie das von der Bundesregierung? Erwarten Sie das vom Bundestag?

Schäffler: Vom Bundestag erhoffe ich mir das. Von dieser Bundesregierung erwarte ich das nicht, denn bisher hat die Bundesregierung natürlich die positiven Seiten mitgenommen. Die Niedrigzinspolitik hat ja dazu geführt, dass wir nationale Überschüsse in den Haushalten erzielt haben. Man hat die negativen Entwicklungen negiert und hat sie weggewischt und hat immer darauf geschaut, dass wir positive Haushaltszahlen haben, aber die waren natürlich auf Sand gebaut, denn wir standen und stehen vielleicht einigermaßen gut da im europäischen Vergleich, aber das Ganze ist letztendlich auf Sand gebaut gewesen, weil wir Zombie-Unternehmen geschaffen haben, weil wir das Sparvermögen der Menschen enteignet haben. All diese Nebenwirkungen, die sind viel gravierender als die positiven Effekte.

Anleiheprogramm werde korrigiert werden müssen

Heckmann: Gehen Sie denn jetzt davon aus, dass dieses Anleihekaufprogramm, diese verschiedenen Anleihekaufprogramme gestoppt werden nach der Entscheidung in Karlsruhe?

Schäffler: Nein, das glaube ich nicht. Aber sie werden qualitativ hoffentlich verändert. Das Verfassungsgericht hat ja jetzt nicht über das aktuelle, über das neue Programm im Zuge der Corona-Krise debattiert oder entschieden. Aber es wird auch darauf Auswirkungen haben. Da bin ich sehr sicher. Denn es hat ja Kriterien für das alte Programm aufgestellt und die werden auch sicherlich gelten für das neue Programm. Deshalb muss die EZB nachsitzen und muss entsprechende Korrekturen vornehmen, beispielsweise dass man nicht Schrottanleihen kaufen kann, beispielsweise von Griechenland. Das, glaube ich, ist klar, dass das künftig nicht mehr möglich sein wird.

Heckmann: In einem Satz vielleicht zum Abschluss, Herr Schäffler. Was ist das für ein Tag heute für Sie, aus Ihrer Sicht?

Schäffler: Es ist ein guter Tag für die Demokratie in diesem Land und für den Währungsraum insgesamt.

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E-Mail: frank.schaeffler@bundestag.de
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