Als am Donnerstagmorgen kurz nach 10 Uhr in der Schweiz alle Sirenen heulten, lag das nicht daran, dass am Matterhorn eine Schneelawine ins Tal stürzte, sondern es war die Kurslawine des Euro gegenüber dem Schweizer Franken, der die Finanzwelt erschüttert. Zeitweise verlor der Euro gegenüber dem Franken 30 Prozent an Wert. Am Ende des Tages waren es immer noch 14 Prozent. Ein Euro kostete annähernd soviel wie die Schweizer Währung. Das gab es noch nie. Der Schweizer Aktienindex verlor in der Spitze 13 Prozent. Zum Vergleich: Am Tag der Terroranschläge am 11 September 2001 verlor der Deutsche Aktienindex Dax 8,5 Prozent.
Ursache dieser Börsenlawine war die Ankündigung der Schweizer Notenbank, den Schweizer Franken nicht länger beim Kurs von 1,20 je Euro zu stützen. Seit nunmehr drei Jahren wollte die Schweizer Notenbank so ihre heimische Exportindustrie vor einem immer weiter steigenden Franken schützen. Deshalb kaufte die Notenbank in den vergangenen Jahren massiv Euros, um die stärke des Franken bewusst nach unten zu manipulieren. Bei den Eidgenossen war diese Form der eigenen Schwächung nie beliebt. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage waren 59 Prozent der Schweizer gegen diese Stützungsmaßnahmen.
Es sind drei Faktoren, die die Entscheidung der Schweizer Nationalbank beeinflusst haben. Ersten fand eine Vorentscheidung beim Europäischen Gerichtshof zur Zulässigkeit unbeschränkter Ankäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank statt. Im März letzten Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung über deren Zulässigkeit an den EuGH weitergereicht. Der Generalanwalt des EuGH, der die Entscheidung vorbereitet, hat in dieser Woche in einem Gutachten diese Ankäufe für zulässig erklärt.
Jetzt gehen die Finanzmärkte davon aus, dass zweitens die EZB am 22. Januar ein umfangreiches Programm zum Ankauf von Schulden klammer Euro-Staaten beschließen wird. Die EZB will so viele Anleihen kaufen, dass ihre Bilanz von 2000 auf 3000 Milliarden Euro ausgeweitet wird. Gegen diesen Gewaltakt gibt es nun nicht einmal mehr rechtliche Hürden auf europäischer Ebene.
Und drittens ist der Druck auf den Schweizer Franken deshalb hoch, weil die USA inzwischen einen anderen Weg gehen als der Euro-Raum. Amerika hat seine Staatsanleihenkäufe durch die Notenbank inzwischen eingestellt, was als Beginn einer Zinswende verstanden wird. Das heißt, die wichtigsten Wirtschaftszentren der Welt laufen nicht mehr im Gleichklang, sondern auseinander. Währungsturbulenzen werden dadurch wahrscheinlicher.
Für die Unternehmen in der Schweiz, die in den Euroraum exportieren, ist die Entscheidung in doppelter Hinsicht fatal. Sie haben sich darauf verlassen, dass ihre Notenbank den Kurs dauerhaft stützt, sie haben daher keine Kursabsicherungsgeschäfte abgeschlossen und jetzt werden ihre Waren von heute auf morgen um 14 Prozent und mehr teurer. Sie haben keine Chance sich darauf einzustellen. Viele werden dies nicht kurzfristig auffangen können, andere wird es die Existenz kosten.
Was hier passiert, sind die Auswirkungen des Geldsozialismus. Es herrscht staatlicher Willkür – auf beiden Seiten. Auf Schweizer Seite, weil die Notenbank den Kurs über lange Zeit durch Gelddrucken manipuliert hat. Dies war einfach bei der Einführung. Doch anschließend war der permanente Anpassungsprozess, der sonst stattgefunden hätte, plötzlich beseitigt. Der Wechselkurs drückte nicht mehr die ökonomische Wahrheit aus, er war verfälscht und dies über eine sehr lange Zeit. Der Ausstieg aus dieser Manipulation ist umso schwieriger, je länger der Betrug andauert.
Auf Euro-Seite herrscht Willkür, weil Mario Draghi ebenfalls die Preise manipuliert. Er beseitigt den wichtigsten Preis, den Zins, innerhalb des Euroraums und trickst beim Wert des Euro gegenüber anderen Währungen. Ersteres führt zur Enteignung der Sparguthaben aller im Euroraum, und letzteres führt zu wachsenden Spannungen zwischen den großen Wirtschaftblöcken auf dieser Welt und den Schwellenländern. Es beginnt ein Wettlauf um die größere Manipulation. Hilft diese nicht mehr, wird mit Protektion geantwortet. Wenn der eine seine Währung für den Export künstlich preiswerter macht, reagiert der andere mit Einfuhrbeschränkungen von Waren aus diesem Land. Das was die Krise eigentlich überwinden sollte, nährt sie fortwährend. Am Ende verlieren alle – die Marktwirtschaft, das Recht und die Demokratie.
Dieser Beitrag erschien zuerst in meiner Kolumne ‚Ich bin so frei!‘ in der Fuldaer Zeitung.
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