Frank Schäffler

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Lambsdorff würde heute Taiwan unterstützen

Photo: Bundesarchiv, B 145 Bild-F052015-0031 / Wegmann, Ludwig (CC-BY-SA 3.0) 

Otto Graf Lambsdorff war ein kerniger Typ, der sich nicht so leicht erschüttern ließ. Dies hatte wahrscheinlich auch mit seiner Kriegsgefangenschaft und seiner schweren Verwundung im 2. Weltkrieg zu tun. Lambsdorff hat den politischen Liberalismus im Nachkriegsdeutschland maßgeblich geprägt und mit Klarheit und Entschiedenheit vertreten. „Marktgraf“, wie ihn die ganz wenigen wohlwollenden Medien nannten, war eine von Respekt und Hochachtung geprägte Bezeichnung. Am vergangenen Samstag jährte sich sein Todestag zum 11. Mal.

Wenn man Lambsdorffs Wirken betrachtet, dann sind es drei Phasen in seinem Leben, in denen er die deutsche Politik maßgeblich geprägt hat. Die erste Phase war die als Wirtschaftsminister einer sozial-liberalen Koalition unter Helmut Schmidt. Er war der marktwirtschaftliche Gegenpol zur umverteilenden Sozialdemokratie in der Regierung, teilweise sogar in der eigenen Partei, der FDP. Sein „Wendepapier“ 1982 war der niedergeschriebene Fehdehandschuh, um der kraftlos agierenden Regierung Schmidt/Genscher eine letzte Chance zu geben. Es war ein Manifest für eine marktwirtschaftliche Erneuerung und eine Rückkehr zu soliden öffentlichen Haushalten. Steigende Arbeitslosigkeit, schlechte Haushaltszahlen und die hohe Inflation machten eine wirtschafts- und haushaltspolitische Kehrtwende erforderlich. Der anschließende Wechsel zur christlich-liberalen Koalition unter Kanzler Helmut Kohl und die anschließende Neuwahl 1983 brachte die FDP fast um ihre parlamentarische Existenz.

Nicht immer hat sich Lambsdorff mit seinem Kurs in der FDP durchgesetzt. Als der Deutsche Bundestag 1998 über die Einführung des Euro als Gemeinschaftswährung abstimmte, versagte er seiner Fraktion die Gefolgschaft ebenso wie Burkhard Hirsch. Beide gehörten innerhalb ihrer Partei zu sehr unterschiedlichen Flügeln, dennoch kamen beide – der eine aus ökonomischer und der andere aus rechtsstaatlicher Sicht – zum gleichen Ergebnis. Lambsdorff war Vorsitzender der FDP vor und nach der Deutschen Einheit. In dieser zweiten Phase seines politischen Lebens hat er die Liberalen zu einer gesamtdeutschen Partei entwickelt und die Liberalen bei der Bundestagswahl 1990 zu einem Ergebnis von 11 Prozent geführt.

Lambsdorff wurde meist als Wirtschaftsliberaler bezeichnet oder darauf reduziert. Damit wird man seinem Verständnis von Liberalismus nicht gerecht. Er war ein klassisch Liberaler. Sein Tätigkeitsfeld war als Wirtschaftsminister zwar die Wirtschaftspolitik, im Sinne der Rahmensetzung in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Aber er war auch auf dem Gebiet der Aussöhnung und der Menschenrechte aktiv. Dies prägte die dritte Phase seines politischen Wirkens. Es war die Zeit, in der er die meisten Freiheiten genießen konnte, weil er dem politischen Alltagsgeschäft entzogen war. Und hier zeigte sich dann auch, für welche Fragen und Themen sein Herz besonders schlug.

Für die rot-grüne Bundesregierung Schröder/Fischer verhandelte er erfolgreich in den USA über die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter, schaffte damit Rechtsfrieden und trug einen wichtigen Teil bei zur Aussöhnung mit diesen Opfern des nationalsozialistischen Terror-Regimes. In dieser Zeit rückte Lambsdorff auch die Annexion Tibets durch China in den Fokus deutscher Politik. Er empfing als Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung mehrmals das geistliche Oberhaupt der Tibeter, den Dalai-Lama. 1996 veranstaltet die Stiftung in Bonn sogar ein Tibet-Treffen mit der Exilregierung und Vertretern aus 53 Staaten. Die diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen der Volksrepublik China und der deutschen Bundesregierung, deren Außenminister Klaus Kinkel damals war, führte dabei zu einem heftigen Streit über den Kurs der deutschen Außenpolitik innerhalb der FDP.

Lambsdorff setze sich nicht nur für Tibet ein, sondern unterstütze auch die Demokratiebewegung in Taiwan. Bei Demokratie und Menschenrechte kannte er keine Kompromisse. Er hat die Frage der Menschenrechte nicht gegen ökonomische Interessen ausspielen lassen. Der Volksrepublik China waren Lambsdorff und seine klaren Positionen ein Dorn im Auge. Die Naumann-Stiftung musste 1996 sogar ihr Büro in Peking auf Druck der chinesischen Staatsführung schließen.

Unter Lambsdorff wurden die Naumann-Stiftung und insbesondere das Liberale Institut der Naumann-Stiftung zu einem kreativen und leistungsstarken Think Tank ausgebaut, das dem Liberalismus in Deutschland damals wichtige Impulse gab. So machte die Stiftung unter Lambsdorffs Führung 1999 sehr kluge Vorschläge für eine Reform des Föderalismus in Deutschland. Im deutschen Föderalismus greifen sich die Staatsapparate gegenseitig in die Tasche. Er plädierte daher für eine stärkere Trennung der Ebenen und für eine Stärkung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung. Die Mischfinanzierung der Staatsaufgaben wollte er durch einen Wettbewerbsföderalismus nach Schweizer Vorbild reformieren. Eine Überlegung, die heute noch überlegenswert ist.

Als klassisch Liberaler gehörte Friedrich August von Hayek zu seinen wichtigsten intellektuellen Quellen. In der Neuauflage des Buches „Der Weg zur Knechtschaft“ schrieb er 1990 über die deutsche Wirtschaftsordnung: „Bei mehr Marktwirtschaft hätten wir mehr mündige Bürger, weniger Trittbrettfahrer auf dem Wohlfahrtszug und mehr Arbeit in zumutbarer Beschäftigung. Damit wäre auch mehr Hilfe für die wirklich sozial Schwachen möglich.“ Diese Worte sollten deutschen Politikern angesichts der gigantischen Herausforderungen bei der Bewältigung der Pandemie nicht nur in den Ohren klingeln, sondern dröhnend scheppern. Die Mischung aus Standfestigkeit und Dynamik, die den Marktgrafen auszeichnet, wünscht man sich auch heute wieder öfter – ob es um die Leistungsfähigkeit des Sozialstaates geht oder um das Bekenntnis zu liberalen Werten auf der ganzen Welt.

 

Die Kolumne erschien exklusiv bei Prometheus – das Freiheitsinstitut.

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