Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler, FDP-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Frank Schäffler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein historischer Zeitpunkt, über den wir
heute sprechen. Das ist ein Scheideweg für Europa.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schon wieder!)
Die einen wollen Europa zu mehr Zentralismus führen und nennen das EFSF, ESM, Projektbonds usw., usf.
Am Ende steht der europäische Superstaat, der europäische Einheitsbürger. Das ist nicht meine Vorstellung von Europa.
(Beifall des Abg. Manfred Kolbe [CDU/CSU])
Meine Vorstellung von Europa ist ein Europa des Rechts, der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheit,
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)
ein Europa, das auf die individuelle Freiheit setzt, ein Europa der Römischen Verträge, ein Europa der vier
Grundfreiheiten, ein Europa, das Reisefreiheit, Waren- und Verkehrsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit sichert. Das war eine Bewegung von unten nach dem Krieg, durch die Europa dahin geführt wurde, dass Millionen von Menschen und Millionen von Unternehmen Handel getrieben und sich ausgetauscht haben. Das war eine Bewegung von unten.
Der Euro ist eine Bewegung von oben. Er ist ein zentralistisches Projekt. Dieses zentralistische Projekt muss
jetzt mit Milliarden an Geldern korrigiert werden, und es führt am Ende nicht zum Guten. Es führt am Ende vielmehr dazu, dass man in Europa einen europäischen Superstaat durch die Hintertür einführen will. Ich meine, wer dies will, muss das Volk fragen, muss die Menschen fragen. Das darf nicht durch die „kalte Küche“ entstehen.
Wenn wir Deutschland in eine neue Staatlichkeit führen, dann muss eine Volksabstimmung es möglich machen, dass alle Menschen mitreden können. Das darf nicht durch die „kalte Küche“ geschehen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der LINKEN)
Die europäische Einigung muss rechtsstaatlich geschehen. Es kann nicht sein, dass alle die Verträge in Europa unterschreiben, aber sich keiner daran hält. Wer die Regeln verletzt, der muss sanktioniert werden, der muss auch so weit sanktioniert werden, dass die Strafen durchgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass jemand bei Rot über die Ampel fährt und andere die Strafzettel bezahlen.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ui, ui, ui!)
Das ist nicht meine Vorstellung von Europa. Wer Risiken als Investor eingeht, der muss auch für diese Risiken haften. Er darf sie nicht zulasten der europäischen Steuerzahler sozialisieren. Das machen wir aber jetzt fortgesetzt. Das machen wir jetzt im dritten Jahr dieser Krise.
Wir lösen dieses Problem dadurch, dass die Investoren weitere Risiken eingehen können und dass diese Risiken weiter sozialisiert werden können. Wir glauben, mit neuen Schulden könnten wir das Verschuldungsproblem lösen. Aber das Verschuldungsproblem kann man nicht durch neue Schulden lösen, und man kann auch nicht daraus herauswachsen. Denn die Ursache dieser Krise ist ein Wachstum, das auf Sand gebaut war. Dieses Wachstum auf Sand will sich jetzt korrigieren. Das kann man nicht mit neuen Schulden korrigieren.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)
Deshalb müssen wir zu einem Europa des Rechts, der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheit zurückkehren. Das
heißt, es müssen wieder die europäischen Regeln gelten, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haftet oder für diese Schulden eintritt. Die Nichtbeistandsklausel wird fortgesetzt mit Füßen getreten. Wir erleben einen kollektiven Rechtsbruch in Europa.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)
Wir müssen das Erpressungspotenzial der Nehmerstaaten und Banken in Europa durchbrechen. Das ist die
einzige Möglichkeit, um am Ende vernünftig aus dieser Situation herauszukommen.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kriegt man ja Gänsehaut!)
Wilhelm Röpke, einer der Gründerväter der sozialen Marktwirtschaft und bekennender Europäer, hat schon
früh gesagt: Die Einheit in der Vielheit macht das Wesen Europas aus.Ich glaube, wir legen heute mit der Entscheidung für den ESM und für den Fiskalpakt die Lunte an das Haus Europa.
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