Bei uns wird der Blick der amerikanischen Medien und Politik auf Deutschland als sehr oberflächlich dargestellt. Nach dem Motto: Amerikaner interessieren sich nicht für den Rest der Welt.. Doch ist es bei uns wesentlich anders? Wenn in Deutschland über die amerikanische Politik berichtet wird, dann wird ebenfalls sehr grobschlächtig berichtet. Die Republikaner sind rechts oder zumindest konservativ und die Demokraten sind sozialdemokratisch bis liberal. Deshalb ist auch der anstehende Präsidentschaftswahlkampf in den deutschen Medien eine Auseinandersetzung zwischen der „liberalen“ Hillary Clinton auf der einen Seite und einem Gegenkandidaten aus dem konservativen bis rechten Lager der Republikaner. Weltoffenheit und Toleranz gegen außenpolitische Falken und angegraute law-and-order-Männern.
Am vergangenen Mittwoch hat der republikanischen Präsidentschaftskandidaten, Senator Rand Paul aus Kentucky, im US-Kongress mit einer über zehnstündigen Dauerrede (Filibuster) gegen die Vorratsdatenspeicherung gekämpft. Der Konflikt im amerikanischen Parlament drehte sich nicht um das „Ob“, sondern lediglich um das „Wie“ der Überwachung. Soll die umfassende Regelung des im Zuge der 9/11-Anschläge eingeführten Patriot Act durch einen etwas milderen Freedom Act ersetzt werden? Rand Paul ist gegen beides. Beides verstößt nach seiner Auffassung gegen die Verfassung.
Ist er jetzt ein Konservativer, weil er Mitglied der Republikanischen Partei ist? Ist Hillary Clinton eine Liberale, weil sie 2001 für den Patriot Act gestimmt hat und jetzt für die weichere Form der Vorratsdatenspeicherung ist? Nein, diese Muster passen nicht. Es ist genau umgekehrt. Rand Paul ist ein Liberaler und Hillary Clinton eine Konservative. Denn was unterscheidet Konservative von Liberalen? Es sind im Wesentlichen drei Merkmale.
Erstens fürchten Konservative die Veränderung und das Neue. Liberale setzten auf Mut und Zuversicht, ohne zu wissen wohin dies führt. Konservative wollen die Staatsgewalt einsetzen, um Veränderungen zu verhindern oder aufzuhalten. Der Konservative fühlt sich nur geborgen in einem starken Staat, der mit einer höheren Weisheit ausgestattet ist und die Veränderungen beobachtet, ordnet und steuert. Dahinter steckt das tiefe Misstrauen gegenüber dem Einzelnen. Um einen Dieb, Mörder oder dessen Schergen zu erwischen, müssen alle anderen in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden. Der Zweck heiligt jedes Mittel. Das Ergebnis zählt.
Zweitens glaubt der Konservative an starke Autoritäten. Der Konservative von rechts unterscheidet sich vom Konservativen von links nur dadurch, dass es andere Autoritäten sind, die über uns bestimmen sollen. Beide arbeiten mit Angst. Es ist die Angst der Veränderungen. Diese Veränderungen müssen durch Grenzen aller Art verhindert werden. Der Liberale dagegen handelt nach Prinzipien und allgemeinen Grundsätzen. Er setzt auf die Kraft der Ideen, die nicht deutsch oder amerikanisch sind, sondern universell. Das setzt die Erkenntnis voraus, dass die Vielheit einer Gesellschaft dazu führt, dass schlechte Menschen am wenigsten anrichten können.
Drittens haben Konservative den unbändigen Willen zur Macht um jeden Preis. Sie schrecken nicht vor Zwang und Willkür zurück, solange es dem übergeordneten Ziel, das sie formulieren, nützt. Sie tolerieren niemanden, der andere moralische Ansichten hat, neben sich. Sie wollen nicht an einer politischen Ordnung arbeiten, die andere Überzeugungen nebeneinander zulässt. Für einen Liberalen ist es unerheblich, welche persönlichen Wertmaßstäbe man selbst hat. Sie rechtfertigen nicht, anderen diese Wertmaßstäbe zu oktroyieren.
Der unterschied zwischen dem Liberalen Rand Paul und der konservativen Hillary Clinton ist, dass Clinton dem Ideal eines Primats der Politik folgt. Sie will über andere bestimmen, sie will den starken Staat und die absolute Macht. Rand Paul ist der Vertreter eines Primats von Recht und Freiheit. Er handelt prinzipiengebunden und im Glauben an die Herrschaft des Rechts. Mit seiner Filibuster-Rede hatte er sicherlich nicht die Hoffnung, die Mehrheit im Senat umzustimmen. Er wollte die Alternative in ihrer Klarheit und Grundsätzlichkeit darstellen. Es ist die Alternative zwischen einer freien und einer geschlossenen Gesellschaft. Oder wie es Adam Smith formulierte: „Er wird damit nur dann Erfolg haben, wenn er sich nicht auf das beschränkt, was jetzt politisch möglich ist, sonder konsequent die allgemeinen Prinzipien verteidigt, die immer die selben sind.“
Dieser Beitrag erschien zuerst in meiner Kolumne „Schäfflers Freisinn“ im Blog von Roland Tichy.
Foto: Donkey Hotey. Rand Paul – Caricature. (CC BY-SA 2.0) auf Flickr
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