Streitbare Demokratie braucht aufrechte Demokraten

Interview mit der Passauer Neuesten Presse

Empörung über Pläne, das Rederecht von Bundestagsabgeordneten einzuschränken. Sollen kritische Abgeordnete mundtot gemacht werden?
Das ist offenbar der Versuch, kritische Abgeordnete zu disziplinieren. Jetzt wird so getan, als sei dies eine Stärkung der Minderheitenrechte. Weder die Minderheit noch der Parlamentspräsident haben diese Änderung gefordert. Ursprünglich sollte die geplante Beschränkung des Rederechts ohne Debatte im Parlament am Donnerstagabend kommender Woche beschlossen werden, jetzt wird es verschoben. So etwas tut unserer parlamentarischen Demokratie nicht gut. Sollte es bei diesen Plänen bleiben, werden wir uns den Weg der Verfassungsbeschwerde vorbehalten.

Jetzt soll zunächst noch weiter über die Pläne beraten werden. Lenken die Fraktionsführungen wegen des heftigen Widerstands ein?
Die Welle der Empörung scheint zu wirken. Wir müssen die Debatte jetzt nutzen, um den Spieß umzudrehen und das Parlament zu stärken. Wir brauchen eine neue breite Debattenkultur im Parlament. Jetzt muss grundsätzlich über die Qualität der Reden und Debatten im Bundestag gesprochen werden. Die Diskussionen müssen attraktiver, lebendiger werden und dürfen nicht länger vor allem von den Fraktionsspitzen gesteuert werden. Wir müssen über die starre Aufteilung und Festlegung der Redezeiten durch die Fraktionen nachdenken. Der Bundestagspräsident sollte mehr Möglichkeiten erhalten, auch kontroverse Meinungen von einzelnen Abgeordneten mit einfließen zu lassen als in der Vergangenheit. Norbert Lammert hat hier einen ersten Schritt gemacht, indem er Klaus-Peter Willsch und mir in der Debatte über den Euro-Rettungsschirm Redezeit eingeräumt hat.

Legen Sie eigene Pläne zur Reform des Rederechts vor?
Wir brauchen jetzt eine fraktionsübergreifende Initiative zur Stärkung des Parlamentarismus’ und zur Reform der Reden und Debatten. Die Initiatoren des Abgeordneten-Maulkorbs haben so womöglich ungewollt noch etwas Gutes für die Parlamentarische Demokratie getan. Eine streitbare Demokratie braucht aufrechte Demokraten. Viele Entscheidungen werden nur noch vom Parlament vollzogen. Der Bundestag ist zuletzt immer mehr zum Erfüllungsgehilfen der Regierung geworden. Das ist keine gute Entwicklung und darf nicht so weiter gehen. Der Parlamentarismus muss wieder gestärkt werden.

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