Wehret der Allmacht der Bürokraten

Gastbeitrag für die Financial Times Deutschland

17.02.2011

Wenn jetzt in Frankreich von „Wirtschaftsregierung“ und in Deutschland vom „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ gesprochen wird, könnte man meinen, die Beteiligten europäischen Regierungen redeten aneinander vorbei. Das ist jedoch nicht so. Beide meinen das Gleiche.

Die kollektiven Rechtsbrüche durch den Bailout Griechenlands und den anschließenden Euro-Rettungsfonds sollen jetzt durch eine „einfache Vertragsänderung“ und eine neue Stufe des europäischen Zentralismus nachträglich legitimiert werden. Die gemeinsam vereinbarten Regeln in Europa, die bislang von den meisten Mitgliedsländern nicht angewendet und von der EU-Kommission nicht durchgesetzt wurden, sollen jetzt durch neue Regeln ergänzt werden. Aber anschließend wird sich vermutlich auch wieder niemand daran halten.

Wie die neuen Regeln durchgesetzt werden sollen und von wem, bleibt dabei nach wie vor ungelöst. Wenn mit der Überschuldung eines Landes angeblich der Zusammenbruch des Finanzsystems bevorsteht, wie die Befürworter der Rettungsmaßnahmen argumentieren, können die Zahler schlecht drohen, im Falle mangelnder Reformbereitschaft des Empfängerlands den Zahlungsfluss zu stoppen.

Deshalb mag die Vertragsänderung verfassungsrechtlich notwendig sein, um der Bundesregierung eine Blamage vor dem Bundesverfassungsgericht zu ersparen. Nichtsdestotrotz hebeln die neuen Regeln die No-Bailout-Klausel in Artikel 125 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union aus. Der neue Rettungsmechanismus mit geplanten 500 Mrd. Euro Volumen dient nur einem Zweck: die Zahlungsfähigkeit von überschuldeten Euro-Staaten zu sichern.

Nicht der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, als Entmachtungsinstrument und als faktische Schuldengrenze, sondern Allmacht und Wissen von Bürokraten soll den „Grad der Wettbewerbsfähigkeit“ einzelner Länder bestimmen, was in der Praxis zur Zentralverwaltungswirtschaft führt.

Beispielsweise ist eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer vielleicht gut gemeint – gut ist sie deshalb nicht. Auch wäre eine moderne Gruppenbesteuerung von Unternehmen wie in Österreich dann nicht mehr möglich. Genauso wenig die Berücksichtigung einer Eigenkapitalverzinsung bei der Bemessungsgrundlage von Unternehmensteuern wie in Belgien. Überhaupt: Wie lange soll dieser Prozess dauern? Zehn, 20 oder 30 Jahre?

Die weitere Zuspitzung der Überschuldungskrise von Banken und Staaten wartet sicherlich nicht so lange. Der Wahrheit früh genug ins Gesicht zu schauen ist notwendig. Das bedeutet, dass man um eine Umschuldung nicht nur in Griechenland nicht herumkommt. Diese ist aber nur dann glaubhaft, wenn die Gläubiger zwingend beteiligt werden. Zweitens haben überschuldete Staaten nur dann die Chance, kurzfristig wieder wettbewerbsfähig zu werden, wenn sie den Euroraum freiwillig verlassen. Nur das ermöglicht ihnen, schnell Leistungsbilanzüberschüsse zu erzielen und ihre Verschuldung abzubauen.

Deshalb hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel schon recht, wenn sie zum Rettungsfonds bereits am 27. Oktober im Deutschen Bundestag ausgeführt hat: „Er läuft 2013 aus. Das haben wir auch genau so gewollt und beschlossen. Eine einfache Verlängerung kann und wird es mit Deutschland nicht geben, weil der Rettungsschirm nicht als langfristiges Instrument taugt, weil er Märkten und Mitgliedsstaaten falsche Signale sendet und weil er eine gefährliche Erwartungshaltung fördert. Er fördert die Erwartungshaltung, dass Deutschland und andere Mitgliedsstaaten und damit auch die Steuerzahler dieser Länder im Krisenfall schon irgendwie einspringen und das Risiko der Anleger übernehmen können.“

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